(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Von Rosa, Karl und einem Hauch von Revolte im Zuschauerraum
Die Spielzeit neigt sich dem Ende zu. Bevor Mitte Juli jedoch der letzte Vorhang in den Kammerspielen fallen wird, hat man sich im Theater noch etwas Besonderes einfallen lassen. In den letzten Wochen gibt es zwei Highlights im Spielplan, die durch weitere Programmpunkte begleitet und angereichert werden. Alles steht unter dem Motto „100 Jahre Novemberrevolution“.
Aber mal langsam: Was war nochmal die Novemberrevolution und warum ist die überhaupt so wichtig? Wir befinden uns im Oktober des Jahr 1918 in Deutschland. Selbiges und andere Länder befinden sich in der Endphase des ersten Weltkrieges.

Soweit, so gut. Aber warum denn jetzt Novemberrevolution? Das liegt an dem „Wie alles begann …“. Das Deutsche Reich war eine Monarchie und durch seinen Monarchen Wilhelm II und dessen aggressive Kriegsstrategie mehr als geprägt. Wilhelm versuchte innerhalb weniger Jahre all’ den Imperialismus aufzuholen, den seinen Vorgänger nicht interessiert hatte. Er baute Flotten ohne Ende. Es kam zum Wettrüsten mit Großbritannien und zur Kriegseuphorie in Deutschland. Am Ende des Krieges, im Oktober 1918, stand durch das Scheitern der letzten Kriegsoffensive bereits fest, dass Deutschland den Krieg verloren hatte. Geschockt von der Erkenntnis über den realen Zustand des Landes kam es in der Bevölkerung zu Unruhen und großer Unzufriedenheit. Die Spitze des Eisbergs war der letzte Flottenbefehl der Seekriegsleitung. Die Matrosen sollten in die letzte große Schlacht ausgerechnet gegen Großbritannien ziehen. Durch die Meuterei einiger Matrosen kam es zum Kieler Matrosenaufstand. Und der verbreitete sich schnell. Nach einigen Tagen befand sich Deutschland in einer riesigen Revolution. Anfang November wurde die Republik in Berlin ausgerufen. Der Monarch und seine Fürsten dankten wenig später ab. Zur Erinnerung: kurze Zeit später kam es in Frankreich zum Waffenstillstand von Compiègne. Sozusagen der Anfang vom Ende. Zusammenfassend sind die Vorfälle von damals für nichts geringeres verantwortlich, als für den Sturz der Monarchie im deutschen Reich und ihre Umwandlung in eine parlamentarische Demokratie, die sogenannte Weimarer Republik. Diese legte die Grundsteine unserer Demokratie nach der wir auch heute noch leben und z.B. wählen gehen. Die Gründungsphase der Weimarer Republik gilt mit der Abschlussabstimmung über die Annahme der Verfassung im Juli 1919 als abgeschlossen.
Nach Adam Riese liegen diese Vorfälle fast 100 Jahre zurück. Das hat sich auch das Theater Bonn gedacht. Bis Ende Juni gibt es deswegen im Foyer der Kammerspiele eine Ausstellung über die junge Revolutionärin Rosa Luxemburg, die durch die Hilfe der Rosa-Luxemburg-Stiftung ins Leben gerufen werden konnte. Dort kann man mithilfe von Zitaten, Briefen, Fotos und Dokumenten mehr über die Revolution und vor allem über Rosa Luxemburg erfahren. Außerdem wird das Stück Karl und Rosa von Alfred Döblin wieder aufgenommen. Dazu gibt es im Foyer der Kammerspiele am Sonntag, den 24. Juni, eine Sonderausgabe von „Theatergesprächen über Gott und die Welt“. Mit zwei Theologen können sich die Gäste nach der letzten Vorstellung von Karl und Rosa austauschen. In diesem Stück geht es um die Revolutionäre Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Mit diesem Abend eröffnete Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp vor fünf Jahren ihre erste Spielzeit am Theater Bonn. Im Foyer gibt es zudem am Sonntag, 24. Juni, eine Sonderausgabe von „Theatergesprächen über Gott und die Welt“. Mit zwei Theologen können sich die Gäste nach der letzten Vorstellung von Karl und Rosa austauschen. Und damit nicht genug. Auch in der Werkstatt geht es um Karl und Rosa. Die Regieassistenten des Theaters haben einen multimedialen Abend unter dem Titel „Eure Ordnung ist auf Sand gebaut“ zu Rosa und der Revolution entwickelt.

Kurz zum Mitschreiben: Wer sind jetzt bitte Karl und Rosa? Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren zwei junge Revolutionäre, die sich für eine Republik engagierten. Sie wollten dem deutschen Volk vor allem die Augen öffnen. Mit diesem Vorhaben hatten es die beiden natürlich nicht leicht und lebten gefährlich. Liebknecht war es, der im November die „frei sozialistische Republik“ in Berlin ausrief. Zusammen mit Luxemburg und einigen anderen Aktivisten gründete er wenig später den sogenannten Spartakusbund. Diese deutsche Vereinigung bestand aus marxistischen Sozialisten (für eine klassenlose Gesellschaft), die für eine internationale Revolution und die Abschaffung von Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus kämpften. Ihr Partei-Programm wurde zunächst in Form der „Roten Fahne“ veröffentlicht. Luxemburg war Chefredakteurin. Der Spartakusbund erregte Aufsehen in Deutschland. Karl und Rosa gründeten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), eine größere Vereinigung linksradikaler Gruppen, für den Kommunismus in Deutschland. Für besonderes Aufsehen sorgte der Spartakusaufstand in Berlin. Der Aufstand wurde von dem damaligen Militär, dem Freikorps, niedergeschlagen. Wenige Tage später wurden Karl und Rosa durch einige Anhänger des Freikorps ermordet.
Karl und Rosa auf der Bühne der Kammerspiele ist eine Geschichte zwischen Himmel und Hölle rund um die Geschehnisse der Novemberrevolution und ihre Folgen. Regisseurin Alice Buddeberg inszenierte den Roman von Alfred Döblin. Das Stück erzählt von den Vorkommnissen der Novemberrevolution aus verschiedenen Perspektiven. Karl ruft die Republik aus, Rosa wird aus dem Frauengefängnis entlassen. Ein weiterer Protagonist ist Friedrich Becker, er war Lehrer und diente im Krieg, als er vom Schlachtfeld zurückkehrt, hat er Probleme sich in der neuen Zeit zurecht zu finden. Diese Gruppe von unterschiedlichen Menschen und Weitere treffen sich alle im Januar 1919 in Berlin. Es spielen Sophie Basse, Alois Rheinhardt, Julia Keiling, Sören Wunderlich, Glenn Goltz, Johanna Falckner, Benjamin Berger und Daniel Breitfelder, jeweils in mehreren Rollen.

Das Stück lebt von starken und beeindruckenden Bildern. Das Bühnenbild ist ein übergroßer Trichter in Weiß. Die Schauspieler, die sowohl abgetragene Lumpen als auch in stilechten Anzügen auftreten, nutzen ebenso die gesamte Vorderbühne und haben auch kein Problem damit einmal die Revolution im Zuschauerraum auszurufen. Das Ensemble spielt hervorragend zusammen und der Zuschauer kann die Geschehnisse von damals und auf der Bühne gut mitverfolgen. Aus der Revolutionseuphorie im ersten wird eine Revolutionsdepression im zweiten Akt. Die Spieler wälzen sich im Schlamm und stehen im Regen. Es bleibt bis zur letzten Sekunde spannend, obwohl das Ende vorhersehbar ist. Die Fassung der Wiederaufnahme ist stark gekürzt. Der Abend dauert etwas mehr als drei Stunden. Es ist wie eine kurze Zeitreise, 100 Jahre zurück in die Vergangenheit. Die nächste Vorstellung ist am 24. Juni.
Auf der Werkstattbühne hat Rosa einen etwas anderen Charme. Die Regieassistenten Julie Grothgar, Emanuel Tandler und Frederik Werth haben sich mit den Ideen Luxemburgs auf eine andere Art und Weise auseinandergesetzt. Die Geschehnisse der Novemberrevolution bis hin zu Luxemburgs Tod sind hier sozusagen die Ausgangssituation. Die Schauspieler Lena Geyer und Phillip Basener stehen in einer Zeitreisekapsel, einem kleineren Trichter mit Teppich ausgelegt. Auf dessen Rückwand werden Videos unter anderem mit Laura Sundermann projiziert und von den Schauspielern kommentiert. Die drei haben sich mit gleich mehreren Fragestellungen auseinandergesetzt: Was wäre passiert, wenn Rosa doch nicht gestorben wäre? Was würde sie zu unserer heutigen Gesellschaft und unserem Verhalten sagen? Wie würde eigentlich eine moderne Rosa aussehen? Mit diesen Themen werden die zwei Schauspieler in Science-Fiction Kostümen ungefähr eine Stunde konfrontiert. Jeweils einer schlüpft hierbei in die Rolle von Rosa Luxemburg.
Kurz gesagt: Ein paar zum Schmunzeln anregende Gedanken, Überlegungen und Hirngespinste. Auch die Space-Rosa der Zukunft hat ihre Vorstellungen wie es laufen soll, seien sie auch noch so grotesk. Man merkt jedoch, dass alles nicht so ernst gemeint ist – das macht aber nichts. Nächste Vorstellung ist am 23. Juni. Ob Revolte und Revolution in den Kammerspielen, oder die Rosa der Zukunft auf der Werkstattbühne – Im Juni ist für jeden etwas dabei am Theater!
Kim Sterzel