(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Von Nostalgie, Melancholie und den guten alten Zeiten handelt „Schlafende Hunde“
Bei der Premierenfeier konnte niemand leugnen, dass ein kleiner Wermutstropfen in der Luft lag: die Premieren am Theater Bonn neigen sich langsam dem Ende zu. Auch die Werkstatt-Uraufführung „Schlafende Hunde“ von Lothar Kittstein reiht sich Ende Mai in die Liste der Spielzeithighlights ein.
Die Handlung gleicht dem Klappentext einer Schnulzen-Serie: Frank Fuller, oder der „fulminante Frank“, und seine Partnerin Claudia waren Stars. Gemeinsam haben sie die großen Bühnen mit ihrem unwiderstehlichen Schlager-Charme sozusagen „gerockt“ und zusammen das Leben im Rampenlicht in vollen Zügen genossen. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht ein kleines Problem: All’ das ist mittlerweile 25 Jahre her. Was Frank seitdem gemacht hat, weiß man gar nicht so genau. Claudia jedenfalls hat einen Sohn in den 20ern, der neben zocken und Kippen – letztere Leidenschaft teilt er mit seiner Mama – eigentlich auch nichts anderes im Kopf hat. Beide wohnen in einer Bruchbude in einem mehr als ungemütlichen Kaff und vegetieren Tag für Tag vor sich hin.

Das ändert sich jedoch schnell, als auf einmal wieder der fulminante Frank in seinem grellen Glitzeranzug im Türrahmen steht. Und er kommt nicht alleine: Seinen neuen Manager Danni hat er auch gleich mitgebracht. Die zwei haben einen Plan, sie wollen die Karriere der ehemaligen Schlagersternchen wiederbeleben und das Duo Frank und Claudia erneut groß machen. Ihre Fans sollen an die guten alten Zeiten erinnert werden – Nostalgie soll zu Kapital werden. Dabei muss jetzt nur noch Claudia mitspielen…
Das Schauspiel beginnt mittendrin. Oben genannte Situation ist genau die Ausgangslage, in der sich der Zuschauer wiederfindet, sobald die Lichter im Saal ausgehen. Staub ist nicht das Einzige, was schon länger in Claudias Wohnzimmer liegen geblieben ist. Auf dem Tisch stapeln sich Chipstüten, Bierflaschen und Kippenreste im übergequillenden Aschenbecher. Die Garnituren von Sofa und Sessel könnten auch eine ausgiebige Reinigung vertragen. Das Licht der Stehlampe ist eher so mittelmäßig, die Tapete zum Davonlaufen. Die Gästetoilette ist links und die Spülung nicht zu überhören. Ebenfalls links ist auch die Treppe zum Obergeschoss und zum Zimmer vom Junior. Die Küche wurde übrigens professionell ausgelagert bzw. „outgesourct“. Durch eine kleine Hintertür auf der rechten Seite geht es zum Freiluft-Küchenzeilen-Erlebnis, inklusive kaltem, scheußlichen Kaffee. Das Tüpfelchen auf dem I befindet sich über der Haustür: der ausgeblichene Schatten eines Kreuzes prangert wie ein Mahnmal über dem Eingangsbereich. Authentischer geht es wirklich nicht; Malte Lübben war zuständig für das Bühnenbild.
In dieser Kulisse hat Frank Fuller (Klaus Schweizer) seinen großen Auftritt. Mit Toupet und Glitzeranzug à la Weihnachtsbaum wirkt seine Figur wirklich mehr als deplatziert und sorgt direkt am Anfang für einige Lacher im Publikum. Danni (Alois Rheinhardt) erscheint hinter ihm im stilvollen Anzug, gegelten Haaren und Lackschuhen. Claudia (Birte Schrein) präsentiert sich in Leggings, Leo-Kleid, schlecht gefärbten, blonden Haaren und – Zebramorgenmantel. Ihr Sohn Dennis (Manuel Zschunke) kommt in Jogginghose und Hoodie daher. Auch für die Kostüme von Maria Strauch: Daumen hoch! Da passt alles zusammen.
Der Abend dauert fast zwei Stunden, das ist in jeglicher Hinsicht auch gut so. Von den fast zwei Stunden merkt man nämlich nichts, man schaut nicht auf die Uhr und ertappt sich auch nicht beim „plötzlich-kurz-mit den Gedanken-abschweifen“. Das liegt wohl daran: Die Inszenierung von Regisseur Stefan Rogge ist sehr gut verständlich und mehr oder weniger leicht bekömmlich. Wie bei einem guten Schlager sitzt man einfach nur da, lässt sich berieseln, macht alle möglichen Emotionen durch und kann der Handlung gut folgen. Die Stimmung im Zuschauerraum ist angenehm und heiter.

Es ist ausnahmsweise wirklich mal schön, das Gefühl zu haben, die Figuren und ihr Handeln verstehen zu können. Klar, es gibt schon sehr viel Kitsch, der in jeglicher Hinsicht grotesk wirkt, dabei aber auch sehr amüsant. Ein Beispiel: Um seiner ehemaligen Partnerin zu imponieren, bringt Frank unter anderem eine rote Rose mit. Da es bei Claudia natürlich keine Vasen gibt, landet diese Rose in einer Bierflasche auf dem Chaos-Tisch, zwischen … naja so genau möchte man es eigentlich gar nicht wissen. Trotzdem hat diese Kombination etwas für sich – es sieht schon ganz hübsch aus.
Fakt ist: Jede Figur hat auf ihre Weise ihr Päckchen zu tragen. Für Claudia ist es schwer, ihren Partner zu treffen. Ihre alten Bühnenkostüme hat sie nie weggeworfen. „Da ist nichts dran“, sagt sie immer wieder. Ob sie in die geliebten Kleidungsstücke noch reinpasst, ist jedoch eine andere Frage. Frank und Danni scheinen sowieso die ganze Zeit von einem anderen Stern zu kommen, es geht ums Geschäft, darum wieder erfolgreich zu sein. Dennis weiß überhaupt nichts mit seinem Leben anzufangen, ist jedoch froh um jede Möglichkeit oder Idee für seine Zukunft. Wenn diese verschiedenen Persönlichkeiten zusammenkommen, prallen Welten aufeinander. Die Schauspieler knallen sich Monologe um die Ohren, sorgen für das ganz große Drama und drehen teilweise komplett durch. Passend zum Titel scheint es so, als hätte diese Begegnung wieder einiges aufgerüttelt. Als hätten die vier wieder, alte, müde, „Schlafende Hunde“ geweckt, die besser hätten weiterschlafen sollten.
Natürlich wird auch gesungen, selbstverständlich müssen die alten Hits von Frank und Claudia aufgewärmt werden. „Die Ewigkeit geht nie vorbei“, einer der großen Erfolge, gibt es auch gegen eine kleine Spende im Werkstattfoyer zu erwerben.
Ein Kompliment auch an das restliche Team: Mit dabei waren Lothar Krüger für das Licht und Male Günther für die Dramaturgie. Ein kurzweiliger Abend, bei dem man nicht viel nachdenken muss und mit einem nostalgischen Schmunzeln auf den Lippen, in den eigenen „guten alten Zeiten“ schwelgend den Zuschauerraum verlässt. Sehenswert!
Weitere Termine sind der 9., 13., 21. und 26. Juni.
Kim Sterzel