(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Über einen bewegenden Samstagvormittag in den Kammerspielen
Eigentlich ist es ein ganz normales Bild in den Bad Godesberger Kammerspielen. Ein paar gut angezogene Gäste betreten das Foyer des Theaters. Sie stehen in Grüppchen zusammen und unterhalten sich. Unter ihnen sind auch einige Schauspieler, Dramaturgen oder andere Theatergesichter. Die Türen zum Saal öffnen sich. Die Menschenmenge bewegt sich in Richtung Zuschauerraum. Dort findet jedoch nicht eine Premiere oder Vorstellung statt, dazu ist es viel zu früh: gerade elf Uhr zeigen die Zeiger der Uhr an. Sondern wir befinden uns bei der diesjährigen Thespis-Preisverleihung der Freunde der Kammerspiele, am Samstag den 23. Juni.
Den Thespis Preis, auch Bonner Theaterpreis genannt, gibt es seit 2007. Die Freunde der Kammerspiele zeichnen seitdem am Ende jeder Spielzeit, im Rahmen einer festlichen Matinee, ein Mitglied des Schauspielensembles für seine darstellerische Leistung aus. Dazu verleihen die Theaterliebhaber ebenfalls Sonderpreise in den Kategorien „Bemerkenswerteste Inszenierung der Spielzeit“ und „Bemerkenswerte Leistung im Nicht-darstellerischen Bereich“. Für uns als Theatral-Redaktion war es dieses Jahr auch ein ganz besonderer Preis: Auf Einladung der Freunde der Kammerspiele – danke dafür! – waren wir Teil der Jury, die über die „Bemerkenswerteste Inszenierung der Spielzeit“ entschieden hat.

Direkt zu Beginn der Preisverleihung gibt es ein Novum. Zum ersten Mal wird das Programm durch einen Kollegen aus der Oper begleitet. Der Tenor David Fischer, begleitet von Ana Cracium auf dem Klavier, sorgt für musikalische Highlights und Begeisterung im Zuschauerraum.
Natürlich gibt es auch ein paar Reden. Dr. Konrad Lang, Vorsitzender der Freunde der Kammerspiele, Bürgermeisterin Angelica Kappel und der stellvertretende Bezirksbürgermeister Michael Rosenbaum blickten auf eine ereignisreiche Spielzeit am Theater Bonn zurück. Eine Spielzeit, die besonders durch ihre politischen Themen geprägt war und für viel Bewegung in Bonn gesorgt hat – nicht zuletzt durch Volker Löschs Inszenierung BONNOPOLY.
Direkt danach gibt es noch einmal alle Produktionen, ob Werkstatt oder Kammer, im Schnelldurchlauf. Die kurzen Trailer aller Inszenierungen von Lars Figge projiziert man auf eine Leinwand auf der Bühne. Was mit BONNOPOLY, DON QUIJOTE und der HEILIGEN JOHANNA im September letzten Jahres begonnen hatte, endete mit WUT und den SCHLAFENDEN HUNDEN im Mai. Auf insgesamt 14 Premieren kam diese Spielzeit, davon waren fünf Uraufführungen. Hinzu kommen Wiederaufnahmen, Kooperationen, das SAVE THE WORLD Festival und viele weitere kleine Produktionen, die das Schauspiel mit viel Herz auf die Beine gestellt hat.
Auch die Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp schaut auf eine besonders erfolgreiche Spielsaison zurück. Das zeigt sich vor allem an den Zuschauerzahlen – noch nie gab es so viele Zuschauer im Theater, was als Beweis genommen werden kann, dass die Themen des Schauspiels wie der Oper Anklang beim Publikum finden und das Theater weiterhin als Ort des kritischen Diskurses gebraucht wird. Zur Freude über die aktuelle Spielzeit mischte sich bei ihr aber auch ein Funke von Melancholie hinzu. Die Schauspieldirektorin erinnert sich an fünf Jahre am Theater Bonn, mit besonderen und emotionalen Abenden. Nach dieser Spielzeit wird sie das Theater verlassen. Neuer Schauspieldirektor wird Jens Groß, der davor Chefdramaturg war.
Nach diesen Worten liegt nicht nur Emotionen in der Luft – es wird auch spannend. Prof. Dr. Kurt Tudyka hält die erste Laudatio und gibt die bemerkenswerteste Inszenierung bekannt. DIE HEILIGE JOHANNA DER SCHLACHTHÖFE hat gewonnen. Brechts Politdrama dreht sich um das tödliche Schachspiel des Fleischmarktes. In dessen Mitte befindet sich die junge Johanna Dark, die für das Recht der Fabrikarbeiter kämpft und diesen Kampf letztendlich verliert. Regisseurin war Laura Linnenbaum. Diese konnte leider nicht persönlich den Preis empfangen, hatte aber einen Dankesbrief geschickt, der auch verlesen wurde.
Der nächste Sonderpreis geht an Andreas Stubenrauch. Seit 25 Jahren ist er Inspizient in der Kammer. Dr. Frieder Weber, der Stubenrauch noch von seiner eigenen Zeit am Schauspiel kannte, richtet ein paar herzliche und lobende Worte an den Preisträger sowie an das Publikum. Seinen besonderen Sinn für Humor beweist der Inspizient an diesem Tag ebenfalls: Während des ganzen Vormittages hatte er seinen Arbeitsplatz ausnahmsweise auf die Bühne verlegt. Mit Kittel und Kappe verkörpert er das klassische Klischee seines Berufes – „so wie im Tatort“. Ein paar Lacher aufgrund der heiteren Einlagen lockern die Stimmung und unterstreichen zugleich: Eine Vorstellung ohne Inspizient würde nicht funktionieren. Auf, hinter und vor der Bühne gäbe es nur Chaos.

Den letzten Preisträger gibt Elisabeth Einecke-Klövekorn, die auch regelmäßig die Kritiken für den General Anzeiger verfasst, bekannt. Seit 5 Jahren im Ensemble begeisterte Hajo Tuschy das Bonner Publikum und die Kritiker. Bereits nach seiner ersten Spielzeit war der Schauspieler für den Preis nominiert. Er brachte ebenfalls einige Abende am Theater in Eigenregie auf die Bühne: zuletzt inszenierte er zusammen mit Jacob Suske DON QUIJOTE auf der Werkstattbühne. Gemeinsam mit seinen Kollegen Mareike Hein und Daniel Breitfelder organisierte er die Partyreihe „Genießt es, wer weiß, wann es wieder was gibt“ und bildete mit diesen die Formation DIE DREISTIGKEIT. Selbige stehen nun hinter dem Vorhang, springen in Skiklamotten hervor und singen ihrem Kollegen und Freund ein kleines Ständchen. Einer der rührensten Momente. Philip Basener mimt dabei den ja zu ehrenden Tuschy durch eine einfache Maske mit Tuschys Konterfei. Im Anschluss knallen die Konfetti-Kanonen.
Der Preisträger selbst erinnert an die Bedeutung und Wirkung des Theaters und des Schauspiels. Im Ensemble ist er für sein analytisches Denken bekannt – das Publikum bekommt davon eine kleine Kostprobe. Tuschy erzählt davon was Theater bewirken kann und wie wichtig notwendig es aus diesem Grund als Plattform in jeder Stadt bleiben muss. Und das ungeachtet von Kürzungen und Einsparungen. Ein kleiner Wehrmutstropfen für Bonn ist immer noch der Verlust der Halle Beuel als Spielstätte. Auch in der nächsten Spielzeit wird es Veränderungen geben. Die Kammerspiele werden zum Schauspielhaus umbenannt werden. Das Schauspiel soll wieder mehr Bedeutung und Beachtung bekommen. Dafür braucht es Bewunderer, Zuschauer und Freunde. Daher der Vorschlag des Schauspielers für einen neuen Namen der Freunde der Kammerspiele zu „Freunde des Schauspiels“.
Und von denen kommt noch eine schöne Geste zum Schluss. Nicht nur die Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp erhält einen Blumenstrauß zur Anerkennung für ihr langjähriges Engagement, auch die Schauspieler, die nach dieser Spielzeit das Theater verlassen werden, erhalten eine Rose als vorläufiges „Danke“ und „Auf Wiedersehen“.
Auch Theatral bedankt sich bei allen Protagonisten für diese schöne und ereignisreiche Spielzeit!
Alles Gute für das ganze Schauspielhaus!
Kim Sterzel & Rebecca Telöken