(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Das Stück WUT von Elfriede Jelinek feierte am 17. Mai 2018 in den Kammerspielen Bad Godesberg seine Premiere. Dabei versucht der Regisseur Sascha Hawemann die Emotion „Wut“ durch verschiedene Szenarien aus Alltag und Gesellschaft darzustellen, wobei das Stück an den Terroranschlag auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 aufbaut.
Bei alleiniger Betrachtung der Elemente des Bühnenbilds und der Effekte kann das Stück bereits auf jeden Fall überzeugen. Zunächst ist nur der vorderste Teil der Bühne zu sehen, der durch einen schweren roten Theatervorhang verdeckt ist. Erst nach einigen Minuten öffnet sich der Vorhang und die gesamte Bühne wird genutzt. Auffällig sind die überlebensgroßen Buchstaben, die sich nun zeigen und die das Wort „Fureur“ ergeben, das französische Wort für – wer hätte es gedacht – Wut. Die Buchstaben verleihen aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu einer Headline der gesamten Inszenierung das Flair einer Skandalzeischrift. Insbesondere wenn diese aktiv von den Schauspielern genutzt wird, beispielsweise um sich in ihnen zu verstecken.

Weiterhin auffällig ist die inkonsequente Bezugnahme an den Stil der 60er Jahre. Die Inszenierung startet mit einem Video, das französische Strandbesucher in den 60ern zeigt. Auch die Kostüme der Schauspieler erinnern in einigen Szenen an dieses Jahrzehnt. Möglicherweise könnte die revolutionäre und wütende Stimmung der damaligen Zeit der Grund sein. Dieses Detail verleiht der Darbietung eine gewisse Zeitlosigkeit und betont die Tatsache, dass (politische) Wut nicht erst im 21. Jahrhundert aufkam.
Zudem werden viele auditive und audiovisuelle Mittel genutzt; teilweise, um einen Kontrast zu den Handlungen und Dialogen der Schauspieler zu schaffen, teilweise um das geschaffene Ambiente zu verstärken. In meinen Augen werden all diese Mittel passend angewandt; sie unterstützen die Schauspieler, ohne von ihnen abzulenken und vervollständigen das Stimmungsbild.

In der Inszenierung wird mit den verschiedenen Arten von „Wut“ gespielt, u.a. mit der Eifersucht, der Frustration und der Verzweiflung. Meistens werden diese durch kurze fiktive Szenarien verbildlicht; es werden z.B. Einblicke in einen Familienurlaub oder eine Freundesgruppe in einem Problemviertel gegeben, teilweise durch Übertreibung ins Lächerliche gezogen. Dies mag lustig, vielleicht auch unangemessen für die ernsten Themen wirken, allerdings wird Herausforderung sowohl humorvoll als auch tragisch zu erscheinen, von den Schauspielern Philipp Basener, Johanna Falckner, Christoph Gummert, Holger Kraft und Laura Sundermann herausragend gemeistert.
Ein Schwachpunkt, den diese schnelle Sequenz von Szenarien hat, ist die Orientierungslosigkeit, die man als Zuschauer verspürt. Vor allem zu Beginn herrscht absolute Verwirrung, was mit der speziellen Art, wie Elfriede Jelinkek mit Sprache umgeht, zu tun hat. Da wird man aus den Worten der Schauspieler nicht unbedingt schlauer. So fragt man sich in den ersten Minuten, ob jetzt die Social-Media-Sucht der aktuellen Generation oder das Attentat auf den jüdischen Supermarkt oder vielleicht beides Grund für die deutlich spürbare Frustration in der bunten Gesellschaft auf der Bühne ist. Zum Ende hin werden die Szenen länger, wodurch sich der Zuschauer besser in die dargestellte Welt einfühlen kann. Dabei wird ergründet, wie Wut entsteht, wie aus Wut Gewalt wird und wie Gewalt schließlich mit Mord enden kann. Hier kommt erneut der Terroranschlag auf Charlie Hebdo ins Spiel, gezeigt aus Sicht der Täter, um deren Motivation zu beleuchten.

In den letzten Minuten versucht die Inszenierung die Frage, die das Oberthema aller Szenen und der mutmaßliche Grund für das Handeln der Terroristen ist, eine Frage, die auch in unserem Leben bestimmt schon mehrmals aufkam, zu beantworten: „Wo ist Gott?“.
Jelinek beantwortet diese Frage mit einem Blick in das Leben der Götter der verschiedenen Religionen. Diese sind zu sehr von Sex und anderen Vergnügungen abgelenkt, um der Menschheit zu helfen. Das komödiantische Ende beantwortet zwar die Frage, fällt aber die zuvor aufgebaute Spannung.
Die Inszenierung ist definitiv sehenswert! Sie befasst sich mit Tabuthemen, stellt Personen dar, die wir in unserem Alltag eher meiden würden und versucht, ein rundes Bild von einer unserer verhasstesten Emotion zu schaffen. Sie hat zwar einzelne Schwächen, schafft es aber dennoch den Zuschauer zum Grübeln und zum Hinterfragen der heutigen Gesellschaft zu bringen.
Jael Keck