(Vorschaubild (c) Theater Bonn)
Am 29. Mai feierte Wir?! in den Kammerspielen Premiere. Wir?! ist ein theatrales Experiment und es ist nicht nur in seiner Entstehung etwas anders als klassisches Theater. Das Stück bildet den Abschluss des Festival Bonner Schulkultur in dem vier Monate lang 74 SchülerInnen der neunten Klasse von drei Schulen zusammengearbeitet haben.
Und wie das Stück, so ist auch das Publikum etwas anders als in klassischen Premieren. Es ist sichtbar diverser und – wie in der Begrüßung klar wird – ist es für einige sogar das erste Mal im Theater. Auch unter den SchülerInnen waren nicht alle von Anfang an begeisterte Theaterbesucher. Drei Klassen aus drei Stadtteilen der Integrierten Gesamtschule Beuel, der katholischen Hauptschule St. Hedwig und der Marie-Kahle Gesamtschule haben vor vier Monaten angefangen, mit ihren Theaterpädagogen zu arbeiten. Gemeinsam mit den SchülerInnen entwickelten Angela Merl und Inga Waizenegger ein Stück rund um das „Wir“, so dass am Ende aus drei Klassen „eine coole riesengroße Truppe von Jugendlichen“ wurde.

Wir?! ist auf der Bühne wie eine Collage in einem Scrapbook aufgebaut – in etwa wie ein Notizbuch, in das viele Erinnerungen und Gedanken geklebt, geschrieben oder gemalt werden. Es gibt schauspielerische Sequenzen, eingespielte Videos, kurze Monologe, Interviewtöne oder Tanzsequenzen. Alles begleitet von Musik, die eine große Rolle spielt. Immer im Mittelpunkt die Frage nach dem „Wir“-Gefühl ebendieser Generation. Neben dem „Wir“ steht dabei auch das „Anders“ im Mittelpunkt. „Anders“ – dieses Wort wird im Laufe des Abends ein zentraler Punkt werden. Wir?! thematisiert Fragen mit denen sich jeder im Laufe seines Lebens auseinandergesetzt hat: Was ist ein „Wir“ und welches dieser „Wir“s ist eigentlich mein „Wir“? Und kann ich so etwas überhaupt haben, wenn ich anders bin?
Schön erkennbar ist, wie sehr sich die SchülerInnen mit ebendiesen Fragen intensiv auseinandergesetzt haben. Dabei sind alle 74 zu einem eigenen großen „Wir“ geworden – unabhängig von Stadtbezirk, Schulform oder persönlichem Hintergrund. Es ist für den Zuschauer gut erkennbar, dass der entscheidende Teil eines solchen Projektes in den vielen Probenstunden vorher passiert … eben das Zusammenwachsen eines zusammengewürfelten Ensembles, das an sich schon viel über das „Wir“ verrät.
Wer es nicht zur Premiere geschafft hat, braucht nicht traurig zu sein: StudentInnen der Fresenius Hochschule haben das gesamte Projekt mit der Kamera begleitet. Im Herbst gibt es dann die Premiere des daraus entstandenen Kinofilms. Und Jens Groß (aktueller Chefdramaturg und Schauspieldirektor ab der Spielzeit 2018/19) ließ in seiner Begrüßung anklingen, dass es das Festival Bonner Schulkultur auch im kommenden Jahr geben wird.
Tabea Herrmann