(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Eine moderne Mischung aus Film noir und Kapitalismuskritik bot die Uraufführung von DER ZORN DER WÄLDER am 10. Februar in der Werkstattbühne des Theater Bonn. Der Regisseur Marco Štorman inszenierte Alexander Eisenachs neues Stück mit viel Charme und starken Bildern.
Zu Beginn des Abends fühlt sich der Zuschauer sogleich in die Welt der Kriminalfilme der 50er Jahre hineinversetzt. Der abgebrühte Privatdetektiv Gordon Pritchet (Manuel Zschunke) –

selbstverständlich klischeehaft in Trenchcoat gekleidet und Zigarette rauchend – führt den Zuschauer in eine Zeit voller Armut und Verzweiflung. Die Geschichte beginnt, als die undurchsichtig-verführerische Emma Carsons (Lara Waldow) ihn beauftragt, ihren verschwundenen Mann, den Bestattungsunternehmer Carl Carsons (Daniel Breitfelder), zu finden. Wie sich später herausstellt, ist dieser eine Affäre mit der Femme fatale Charlotte Toreau (Johanna Falckner) eingegangen. Die Nachforschungen führen den Privatermittler zu Carsons dümmlich-bedrohlichem Schreiner Hawkins (Benjamin Berger) und schließlich natürlich in den titelgebenden Wald, wohin Carl – getrieben von seiner Charlotte – vor seiner bürgerlichen Existenz geflohen ist und nun als Naturist mit Hang zum Nudismus ein primitives Leben zwischen Sumpf und Morast pflegt.
Neben der Kriminalgeschichte, die der Zuschauer verfolgt, ist das eigentliche Anliegen des Stückes, den Diskurs um den Ausstieg aus den menschenunwürdigen Bedingungen des Kapitalismus zu schärfen. Dafür lässt sich die in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts angesiedelte Geschichte hervorragend – und erschreckenderweise – auf unsere Zeit übertragen, ohne dass konkrete Bezüge zu der Gegenwart gezogen werden müssen. Eisenach und Štorman bleiben ganz im Genre des Film noir. Die Kostüme, der Nebel über der Moorlandschaft sowie Licht und Maske erwecken fast den Eindruck, man befände sich in der kargen Welt des Schwarz-Weiß-Films. Natürlich kann aber auch die beste Ausstattung nicht allein dafür sorgen, dass eine Inszenierung gelingt. Dafür bedarf es vor allem der schauspielerischen Leistung, und deren Qualität ist bei DER ZORN DER WÄLDER hervorragend.
Manuel Zschunke mimt den coolen, aber auch resignierten Ermittler, der als einziger die verkommene Gesellschaft darstellt. Zigaretten qualmend

und Whiskey saufend, kritisiert er als Pritchett zwar die bestehenden Verhältnisse, doch sie zu ändern ist er nicht bereit. Er führt die Zuschauer durch die Handlung und durchbricht dabei gerne mal die vierte Wand, wenn er den Zuschauern in die Mechanismen des Film noir einweiht, nicht ohne ein gewisses Augenzwinkern. Lara Waldow spielt die undurchschaubare attraktive Auftraggeberin und findet sichtlich Gefallen daran, mit den Klischees der alten Krimis zu spielen. Daniel Breitfelder schafft den schwierigen Balanceakt zwischen dem exzentrischen Naturisten und dem zugleich tief verängstigten Mann, der Mitglied einer Verschwörung geworden ist, deren Ziele er irgendwann nicht mehr teilen kann, aber selbst nicht die Kraft aufbringt, mit ihr zu brechen. Johanna Falckner verkörpert die intelligente Femme fatale mit Charme, aber auch einem stringenten Willen, alles, was sie haben will, auch zu bekommen. Intellektuell scheint sich tatsächlich nur Pritchett mit ihr messen zu können, wenn dem Zuschauer manchmal schon bei deren gesellschaftlichen Disputen der Kopf raucht. Benjamin Berger schließlich hat, obwohl er erst spät die Bühne betritt, den überraschendsten Part – von dem eben noch hinterwäldlerischen Sargbauer, wandelt er sich zum verkappten Terroristen und damit zur gefährlichsten Figur in diesem undurchsichtigen Spiel. Berger gelingt es auf äußerst unterhaltsame Art und Weise, seine Figur zunächst komisch und dann bedrohlich zu spielen.
Das Stück bietet optisch und inhaltlich eine Menge Stoff zum Diskutieren, es bleibt letztlich dem Zuschauer überlassen, ob er sich auf das Netz von Verschwörung, Betrug, Liebe und Idealismus einlassen möchte oder nicht, aber dank der überzeigenden Leistung des Ensembles kann der Zuschauer eigentlich nur noch anfangen mitzudenken und sich zu fragen: In was für einer Gesellschaft möchte ich leben und wie komme ich zu dieser?
Lucas Krah