Immer der Nase nach

(Vorschaubild (c) Thilo Beu)

Frederik Werth feiert Debüt auf der Werkstattbühne

Es war ein besonderer Abend für das Bonner Publikum, das am 26. April in der Werkstattbühne die erste Bühnenproduktion des seit drei Jahren am Bonner Schauspielhaus arbeitenden Regieassistenten Frederik Werth miterleben konnte. Werth, der sich bereits in der Vergangenheit mit russischen Erzählungen von Tschechow beschäftigt hatte, wählte für seine Inszenierung Nikolai Gogols Erzählung DIE NASE aus.

Die surrealistische Erzählung handelt von dem selbstverliebten Kollegienassesor Platon Kowaljow (er selbst gibt sich aber immer den Rang eines Majors), der eines Tages erwacht und mit

Schrecken feststellen muss, dass ihm seine Nase abhanden gekommen ist.

(c) Thilo Beu

Ähnlich wie in Franz Kafkas „Die Verwandlung“ ist allerdings niemand, außer dem Leser/dem Zuschauer darüber verwundert – also über den Umstand, dass jemand einfach plötzlich keine Nase mehr haben kann, ohne eine klaffende Wunde im Gesicht zu haben. Nein, es wird hingenommen und weiter seinen eignen Angelegenheiten nachgegangen. Noch unglaublicher wird es jedoch, wenn besagte verlorene Nase später in persona oder besser gesagt als Staatsrat angezogen durch die Stadt spaziert, in der Kathedrale betet und dabei sogar seinem früheren Besitzer begegnet, ihm aber jede Art von Bekanntschaft abspricht, was Kowaljow endgültig in die Verzweiflung treibt.

Gerade die Dialoge zwischen der Nase und Kowaljow oder Kowaljow und den Menschen, die ihm entweder bei der Wiederbeschaffung seiner Nase helfen sollen – sowohl die Zeitung als auch die Polizei lehnen sein Gesuch allerdings ab – oder die er kurzerhand für den Verlust verantwortlich macht, sind bizarr und komisch zugleich. So bezichtigt er in einem wütenden Brief die Stabsoffiziersgattin, dass sie seine Nase durch Magie habe verschwinden lassen, weil er ihre Tochter nicht heiraten wollte. Wem bis dahin nicht aufgefallen ist, wie abstrus und haarstäubend die ganze Angelegenheit ist, dem wird es spätestens dann klar, wenn die entlaufene Nase doch noch von der Polizei eingefangen wird (sie war auf der Flucht nach Riga und fiel durch einen falschen Pass auf). Doch trotz aller anfänglichen Freude, wartet das nächste Desaster nicht lange, denn der Kolben möchte partout nicht im Gesicht Kowalows sitzen bleiben. Eine verzwickte Situation, die selbst ein herbeigerufener Arzt nicht lösen kann. Dem Leidenden aber rät er, sich nicht allzu viel aus seiner Nase zu machen –  man könne auch ohne leben.

Der Spaß kommt also nicht zu kurz sowohl beim Lesen als auch bei der Darstellung von Timo Kählert als gesellschaftlich entstellten Platon Kowaljow und Wilhelm Eilers, der sich geschickt in die verschiedenen Rollen des Polizisten, Erzähler, Arzt usw. fügt. Besonders markant sind dabei seine Auftritte als schlecht gelauntes Baby (Kostüm und Bühne: Maria Strauch). Er zieht so herrliche Grimassen, dass sich kaum jemand im Publikum das Lachen verkneifen konnte.

Werth geht insgesamt behutsam mit dem Stoff um. Fremdtexte, die noch einmal eine neue Perspektive auf das Geschehen eröffnen, wurden nur in sehr geringem Ausmaß eingefügt (Dramaturgie: Nadja Groß). Der Traumaspekt, der anders als in Kafkas Erzählung später aufgedeckt wird, wird durch wechselnde Lichteffekte (D. Uvagin) und hallende Soundeffekte simuliert. Kurzweilig, wie Träume nun einmal sind, ist auch der Abend ein kurzes Vergnügen, der aber gerade durch den klugen und humorvollen Umgang mit Gogols Erzählung ein schönes Debüt war.

Rebecca Telöken

Die nächsten Aufführungen finden am 15.5; 12.6; 19.6; 26.6. statt.

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