ONKEL WANJA feiert am 23. April Premiere im Schauspielhaus. Das Stück beruht auf dem gleichnamigen Werk von Anton Tschechow, das 1896 erschien.
Ein Gutshof auf dem Land in Russland um das Jahr 1900. Auf dem Gut wohnt Wanja (Sophie Basse) mit ihrer Nichte Sonja (Lena Geyer) und dem ehemaligen Gutsbesitzer Ilja Iljitsch (Christoph Gummert). Auf dem Gut lebt außerdem Maria Woinizkaja, die Mutter der ersten Frau von Alexander und Marina, die Kinderfrau (beide: Ursula Grossenbacher). Wanja verwaltet das Gut für Alexander Serebrjakow (Daniel Stock), den früheren Mann von Wanjas verstorbener Schwester. Alexander ist Professor im Ruhestand und entscheidet sich eines Tages auf das Gut seiner ersten Frau zurückzukehren – begleitet von seiner zweiten Frau Jelena (Sandrine Zenner). Dort treffen sie dann auch auf den Arzt Michail Astrow (Sören Wunderlich), der ökologischer Idealist zu sein scheint – jedenfalls hält er lange Monologe zum Waldsterben.

In dieser Konstellation treffen die Protagonisten auf der Bühne des Schauspielhauses ein, begleitet von einem Musiker (Xell). Noch bevor das Stück beginnt, wird das trostlose Setting sehr deutlich, sowohl was den Gutshof angeht aber auch mit Blick auf die Trostlosigkeit der Epoche. Der Boden ist voll mit Papier, der Vorhang wirkt ramponiert und dreckig.
Zu Beginn fällt es schwer, in die Geschichte reinzukommen. Wer genau in welcher Beziehung zu wem steht, wird erst nach einer Weile klar, ist aber zentral. Denn ONKEL WANJA lebt vorwiegend von der unmöglichen Konstellation der Protagonisten zueinander. Da ist Wanja, die seit Jahren ein Gut verwaltet, aber nichts davon hat, weil sie Monat für Monat Geld an Alexander schickt. Sich selbst zahlt sie nur einen kleinen Betrag aus. Da ist Sonja, die eigentlich in Dr. Astrow verliebt ist, aber ihm nichts davon zu sagen wagt. Wanja und Astrow jedoch sind verliebt in Jelena. Die wiederum wirkt mit der Zeit immer genervter von ihrem Mann. Keiner ist in dieser Konstellation glücklich.
Während sich die zwischenmenschlichen Konflikte immer mehr hochschaukeln, entscheidet sich Alexander schlussendlich das Gut zu verkaufen. Mit dem Geld möchte er ein Landhaus in Finnland kaufen. Bis dahin ist es aber ein langer Weg mit viel Streit. Das gesamte Verhältnis der Figuren erinnert an Sartres Feststellung „Die Hölle, das sind die anderen“.
Zuweilen wirkt das Skript ähnlich planlos wie seine Protagonisten, was durchaus eine gelungene Spiegelung der Situation auf der Bühne sein kann. Positiv hervorzuheben ist die musikalische Begleitung, die das gesamte Stück untermalt. In allen Rollen ist es eine Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler, trotz der über allem schwebenden Lethargie, eine so große Bandbreite an Emotionen auf die Bühne zu bringen.
An manchen Stellen sind Parallelen zur aktuellen Realität erkennbar: Etwa wenn Dr. Astrow von den Folgen und Auswirkungen der Cholerapandemie in Russland berichtet und man als Zuschauer*in nicht umhin kommt, an die Tiefpunkte der Coronapandemie zu denken. Oder auch in Astrows ökologischem Idealismus, wenn er in langen Monologen das Waldsterben beklagt. Gleichzeitig stockt man merklich, wenn der ehemalige Gutsbesitzer Ilja von seiner Zeit als russischer Soldat berichtet und seinen Nationalstolz lautstark präsentiert. Da passt es umso besser, dass das Ensemble am Ende der Premiere eine Solidaritätserklärung für die Ukraine verliest und sich deutlich auf die Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt.
Onkel Wanja ist eine sehenswerte Produktion des Regisseurs Sascha Hawemann, die einen jedoch am Ende irgendwie unklar zurück lässt. Ein wenig wie bei Wanja selbst, wo auf den großen Streit am Ende doch alles wieder ist wie vorher.
Tabea Herrmann