Vorschaubild (c) Thilo Beu
Das Theater feierte trotz den Einschränkungen der Pandemie am vergangenen Freitag die Premiere von Hermann Hesses Unterm Rad als (Live)Stream. Das unter der Regie von Dominic Friedel realisierte Stück wird als ein partizipatives Theaterprojekt bezeichnet. Neben den drei Schauspielern Christian Czeremnych, Lena Geyer und Sören Wunderlich stehen 17 Schüler:innen im Mittelpunkt der Produktion. Vier Monate lang haben sie in einem intensiven Workshop- und Probenprozess ihre Perspektive auf derzeitige Belange von Jugendlichen eingebracht und dargestellt. Als Grundlage diente der Roman von Hermann Hesse.
In dem Roman Unterm Rad geht es um das Schicksal des begabten Jugendlichen Joseph Giebenrath, der an einer ihn einseitig fordernden Pädagogik, aber auch an sich selbst scheitert. Die dort bezeichneten Probleme erscheinen heute so aktuell wie damals: ein starres Bildungssystem, Leistungsdruck, Eltern mit höchsten Erwartungen sowie extremer Sorge und Vorsicht, dazu nur durchgetaktete oder gar keine Freizeit. All dies kennen auch die an dem Projekt teilnehmenden Schüler:innen.
Durch die Einschränkungen der Pandemie und die Übertragung im über das Internet ist aus dem Projekt ein ganz besonderes Stück geworden, das es so sicherlich sonst nicht gegeben hätte. Es werden Online-Elemente über Zoom mit Live-Elementen auf der Bühne und Filmszenen, die in der Natur gedreht wurden, kombiniert. Gerade diese Mischung macht das Erlebnis für den Zuschauer über den Bildschirm abwechslungsreich und spannend.
Beim Intro in das Stück fühlt man sich fast, als wäre man noch in der Uni oder bei der Arbeit: Diverse Zoom-Kacheln sind zu sehen, darin die Schaupieler:innen bei der Arbeit in ihren privaten Räumen. Dieser Eindruck wird noch weiter verstärkt dadurch, dass das Stück auch mit den typischen Problemen der Videokonferenzen spielt, so ist zwischendurch der Ton weg oder das Bild hängt. Die Geschichte wird dann immer wieder von Erzählern eingeführt, worauf gespielte Szenen folgen. Diese werden entweder „durch die Bildschirme hindurch“ über Zoom, auf der Bühne oder draußen am Fluss gespielt. Ab und zu wird auch der Chat mit auf dem Bildschirm angezeigt. Das Stück lebt von seinen unterschiedlichen Perspektiven und kreativen Ideen, was das Verhältnis von Nähe und Distanz angeht. So fühlt es sich zum Beispiel manchmal so an, als würden die Schauspieler:innen direkt nebeneinander stehen, obwohl sie nur auf zwei Bildschirmen nebeneinander zu sehen sind und der Zuschauer weiß, dass sie sich eigentlich an ganz unterschiedlichen Orten befinden. Das Outro wurde fast ausschließlich in der Natur gedreht, vielleicht ein Sinnbild für die Öffnungen der Pandemie und sozusagen ein Licht am Ende des Tunnels. Doch ganz am Ende verschwinden einfach nur die verschiedenen Zoom-Kacheln – ganz so, wie man es gewohnt ist. Das ist das „New Normal“ – der Zuschauer ist zurück in der Realität.
Die knapp zwei Stunden dauernde Performance hat keine Längen und lässt den Zuschauer in eine andere Welt abtauchen. Ich finde, ein gelungenes Experiment. Das Theater hat gezeigt, dass auch Theaterstücke mit der Digitalisierung mitgehen können. Ein großes Lob an alle Schüler:innen für ihre tolle Leistung!
Katharina Wigger