(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Darf ich vorstellen, (Jo) Hannah Arendt, jüdische, deutsch-amerikanische, politische Theoretikerin und Publizistin, gestorben 1975. Susan Sontag, amerikanische Schriftstellerin, Publizistin und Regisseurin, gestorben 2004. Elfriede Jelinek, österreichische Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin.
Diese drei Frauen treffen in der Inszenierung in and out hannah arendt von Emanuel Tandler in der Werkstatt aufeinander. Sontag und Jelinek werden von den beiden jungen Schauspielerinnen Annina Euling und Lena Geyer verkörpert, während Arendt durch Ausschnitte eines Fernsehinterviews von 1964 mit Günter Gaus an der Diskussion teilnimmt. Dabei wird das Interview in einen riesigen Kasten projiziert, der an den Seiten jeweils einen Arm hat, als wäre der Kasten wirklich eine große Person (Bühne und Kostüme: Maria Strauch).

Zu Anfang müssen sich Sontag und Jelinek erst einmal aneinander annähern und geraten trotz (oder gerade wegen) ihrer vielen Gegensätze in eine angeregte Diskussion über die verschiedensten Aspekte des Lebens. Die Themen reichen von der Wahrheit, über die Rolle der Frau und der Kindheit der Protagonisten, bis hin zu Sexualität und (beim Thema Hannah Arendt wohl unvermeidbar) der Frage nach dem „wie konnte es soweit kommen“. Die Aussagen Arendts werden so geschickt in das Gespräch eingebunden, dass es wirklich so wirkt, als wäre sie anwesend und hätte genau auf das vorher Gesagte geantwortet.
Es würde diesem wirklich hervorragenden Stück nicht gerecht werden, wenn man versuchen würde einzelne Teile des Gesprächs zusammenzufassen, daher soll hier vor allem auf das eingegangen werden, was diese durchaus philosophische Diskussion trotzdem amüsant und leicht verdaulich gemacht hat. Dies ist vor allem der geschickten Auswahl von Ausschnitten aus dem Interview, und der tollen Verkörperung Sontags und Jelineks zu verdanken. Dabei ist besonders schön, dass beide Charaktere auf den ersten Blick optisch gut zu erkennen sind und in ihrem Verhalten der Rolle treu bleiben. Dadurch werden tolle Gegensätze produziert, die zuweilen zu urkomischen und skurrilen Situationen führen. Die Einstellung zum Leben ist bei beiden von Grund auf verschieden: während Sontag sehr lebensbejahend, energiegeladen und ein bisschen naiv und idealistisch dargestellt ist, ist Jelinek dem Leben abgewandt, langweilig, spießig. Sie sagt von sich selbst, dass es ihr eigener Fehler sei, nicht am Leben teilzunehmen. So kommt es schließlich auch, dass Jelinek als Engel auf einem Fahrrad auf die Bühne gerollt kommt, neben einer Sontag im King Kong-Gorilla Kostüm. Die eine möchte sich am liebsten von jeglicher Sexualität fernhalten („Engel haben ja auch keine Genitalien“) und die andere möchte sie voll ausleben, wobei eine Welt ihr die liebste wäre, wo Männer femininer und Frauen maskuliner sind. Dieses Verschwimmen der Geschlechtergrenzen wird bei Sontag immer wieder thematisiert und spiegelt sich nach und nach immer mehr in ihren homoerotischen Anspielungen wieder.
So nimmt das Gespräch seinen Lauf und findet zwar kein richtiges Ende, das Ende auf der Bühne allerdings wird durch das Ende des Fernsehinterviews gekennzeichnet und so hat das ganze Stück ein bisschen das Format einer Fernsehshow, wenn auch viel tiefgründiger und beeindruckender. Ein ganz toller Abend, der wirklich jedem wärmstens zu empfehlen ist; selbst wenn man normalerweise nicht ganz so viel mit Philosophie anfangen kann. Denn hier wird sie einem in gutverdaulichen Portionen mit viel Humor garniert geliefert.
Info zu Hannah Arendt:
Hannah Arendt wurde vor allem berühmt durch ihre Reportagen und Bücher zum Eichmann Prozess im Jahr 1961. In „Eichmann in Jerusalem – Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ berichtet Arendt von diesem Prozess und versucht der Frage wie es im Nationalsozialismus zu Verbrechen eines solchen Ausmaßes kommen konnte. Das Buch wurde viel diskutiert und hart kritisiert.
Katharina Wigger