(Vorschaubild (c) Theater Bonn)
Bereits an der Dekoration des Foyers konnte man sehen, dass an diesem Abend große Dinge in den Bad Godesberger Kammerspielen ihre Schatten vorauswerfen sollten. Kein Wunder, ein weiteres Kapitel am Theater Bonn geht zu Ende. Nach fünf Jahren verlässt die Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp das Theater. Mit ihr gehen auch einige Schauspieler. Das musste natürlich theatergetreu gefeiert bzw. verabschiedet werden. Am Ende der Spielzeit 2017/2018 hieß es deswegen „Starlight Exzess – Eine Abschiedsshow“, direkt im Anschluss verabschiedete sich eine weitere Institution. Die Party-Reihe „GENIESST ES WER WEISS WANN ES WIEDER WAS GIBT gab eine letzte Zugabe.
Aber fangen wir doch einfach ganz am Anfang an. Pünktlich zum Einlass um 18:30 Uhr betreten die ersten Zuschauer die Kammerspiele. Lasst uns auf den Abend zurückblicken:
Im Foyer hängen bunte Girlanden von der Decke. Unter ihnen tummeln sich Requisiten aus verschiedenen Produktionen. Das Fliewatüüt aus ROBBI TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT ist selbstverständlich ebenfalls mit goldenem Lametta geschmückt. Auf einem Tisch liegen Sticker mit dem Motto des Abends. Auf einem anderen Tisch Streichholzschachteln mit Bildern der Schauspieler. Auf dem Garderobentresen geht die Theater-Souvenirjagd weiter. Neben einer CD mit Fotos aus den Produktion seit 2013 gibt es auch ein kleines Büchlein in dem befreundete Regisseur*innen und Freunde des Theaters der scheidenden Direktorin Grüße und beste Wünsche für die Zukunft senden. Das Ergebnis: Ein etwa daumendickes Erinnerungsstück zum Mitnehmen.
Bei der rund zweistündigen Vorstellung geben sich Insider-Witze und Melancholie durchgängig die Klinke in die Hand. Als Bühnenbild wurde der Versammlungsraum von UNTERLEUTEN ausgewählt. Wir erinnern uns: Schachbrett-Fliesen, Tisch, Stühle und zwei extra Räume. Ergänzt wird die ohnehin schon Schräge Bühne durch „Lieblingsstücke“ aus vergangenen Produktionen. Da wäre beispielsweise die Toilette aus den PRÄSIDENTINNEN oder der Musikautomat aus ZUR SCHÖNEN AUSSICHT.
„Geht nicht, gibt’s nicht“, hätte ebenfalls der Titel des Abends lauten können. Nicht nur das komplette derzeitige Schauspielensemble steht auf der Bühne, auch alle ehemaligen Spieler des Ensembles sowie Gäste der letzten fünf Jahre sind mit dabei. Jeder erscheint in einem anderen Kostüm, aus einer anderen Produktion. Wenn die Bürgermeisterin aus BONNOPOLY, auf Claudia aus SCHLAFENDE HUNDE, auf den Clown aus ANSICHTEN EINES CLOWNS, auf Hannes aus KARL UND ROSA, auf Richard II. aus KÖNIGSDRAMEN trifft, ist geordnetes Chaos wohl die liebenswürdigste Beschreibung.
Einen wirklich roten Faden gibt es nicht. Das macht aber auch nichts. Das Ensemble zeigt in erster Linie einen Rückblick auf die Highlights verschiedener Produktionen. Wild und teilweise unkontrolliert zusammengemixt, mischen sich Szenen, Monologe und Dialoge. Ein Unglück jagt also das nächste, oder eine Szene crasht die nächste. Auch die jeweiligen Mottos der Spielzeit werden wieder aufgegriffen und in Form von Tanz oder Performance dargestellt. Das Bonner Schauspiel wird ebenfalls in den Fokus gerückt. Chorisch stellen die Schauspieler eine Statistik rund um Proben und Vorstellungen vor.
Und natürlich geht es auch um das Theater. Denn wir wären nicht am Theater, wenn es während einer Abschiedsshow nicht genau darum gehen würde. Demnach könnte man genau so gut sagen, dass jeder Spieler auf der Bühne mit seinem Leben als Schauspieler, der Theater-Hierarchie – insbesondere natürlich dem Bonner Theater , mit seinen Kollegen und den Stücken der letzten fünf Jahre abrechnet und fertig wird. Es scheint aus diesem Grund auch teilweise wie ein Plädoyer für Kunst und vor allem für das Theater in Bonn.
Selbstverständlich ist der allgemeine Ton entgegen der teilweise oben genannten ernsten Botschaft alles andere als das. Denn jedem sollte klar sein, dass eine Abrechnung von Schauspielern auf der Bühne nichts anderes sein kann als ein sehr amüsantes Schauspiel. Auf der Bühne nehmen sich nicht nur alle gegenseitig aufs Korn. Klar, einige Gags verstehen nur die Insider. Es ist allerdings auch einfach ein Erlebnis im Zuschauerraum zu sitzen, wenn es auf der Bühne nicht um das Publikum, sondern ganz alleine um das Spiel geht. Und das ohne Rücksicht auf Verluste.
Zu den wohl lustigsten aber auch eindrucksvollsten Momenten zählen mit Sicherheit: Samuel Koch mit drei Ladies auf Rollschuhen als Starlight Express; das Aufzählen aller Namen mit Erklärungen von Birte Schrein, außerdem wurde der Schauspieler Daniel Breitfelder live auf der Bühne tätowiert – das Logo des Theater Bonns ist nun auf ewig mit ihm verbunden und noch vieles mehr geschah auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Unter anderem zeigt sich Nicola Bramkamp als Heidi-Klum-Double in einem Video auf der Leinwand und später auch auf der Bühne mit den Worten „Ich habe heute leider keine Hauptrolle für euch.“ Ein paar Preise gibt es übrigens ebenfalls, zum Beispiel für den ehrlichsten Bühnenmoment den das Ensemble von HERZ DER FINSTERNIS bekam.
Der Name Starlight Exzess passt und steht als Sinnbild für einen gewaltigen Abschied. Der Zuschauer ist zumindest mehr als ergriffen, als beim Schlussapplaus das gesamte Theaterteam als Gemeinschaft auf der Bühne steht und dann beim allerletzten Vorhang die ein oder andere Träne fließt. Im wahrsten Sinne des Wortes: ehrliche Bühnenmomente und ein würdiger Abschied! Eigentlich könnte man den Mix aus Glitzer, Blöße und schlechten Dramaturgen-Witzen immer weiter beschreiben, aber man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am Schönsten ist.
Organisiert wurde der Abend von der Dreistigkeit alias Mareike Hein, die letztes Jahr, und Hajo Tuschy, der dieses Jahr aus dem Ensemble ausscheidet sowie Daniel Breitfelder. Daher ist es kein Wunder, dass es sich nach der Vorstellung nicht um eine gewöhnliche Premieren- bzw. viel mehr Dernier-Feier handelte, sondern um eine letzte Runde der GENIESST ES-Reihe. Bis tief in die Nacht hinein wurde getanzt, gelacht und geweint. Zu Beginn gab es Performance und live Musik auf der Foyerbühne. Im Anschluss folgte das klassische GENIESST ES-Programm des Wahnsinns. Im Foyer gab es zwei Tanzflächen mit DJ und verschiedener Musik. Der Großteil der Theatermenschen tummelte sich natürlich vor dem Bühneneingang. Dort befand sich ein Nebelcontainer, der mittlerweile zum festen Bestandteil der Party gehört, mit extra DJ. Auch auf den Toiletten gab es Vollzeit-Unterhaltung. Die gefliesten Wände waren nicht nur voll mit Sprüchen und Zitaten wie „Bühnenglück streich die Tränen“ rund um das Theaterleben. Neben pinken Licht gab es auch dort live Musik, die von einem Keyboard mit wechselnder Besetzung an der Garderobe direkt auf das nicht mehr stille Örtchen übertragen wurde. Ein Erlebnis.
Das Publikum müsste nach dieser vollen Dröhnung Theater wahrscheinlich für die Dauer der Spielzeitpause austherapiert sein. Denn dann geht es weiter. Den Startschuss gibt das Theaterfest am 9. September in den Kammerspielen, das sich ab diesem Datum Schauspielhaus Bad Godesberg nennt und mit Jens Groß nicht nur einen neuen Schauspieldirektor hat, sondern auch mit einigen neuen Gesichtern im Ensemble in die neue Spielzeit startet.
An dieser Stelle nochmal ein Dankeschön nicht nur an das gesamte Team vor, hinter, neben und auf der Bühne, sondern besonders auch an Nicola Bramkamp für fünf abwechslungsreiche und spannende Spielzeiten im Bonner Schauspiel. Neben dem normalen Spielbetrieb mit gewaltigen Produktionen in Zuschauernähe wie BONNOPOY gab es trotzdem Platz für weitere Aktionen.
Mit im erweiterten Programm war zum Beispiel „Burning Issues“, ein Treffen für Theatermacherinnen sowie das „Save the World-Festival“.
Kim Sterzel