Ein Ausblick auf die Spielzeit 2018/2019 im Theater Bonn
Erwartungen, Veränderungen, Altbewährtes
Am Sonntag, den 9. September, startet das frisch getaufte Schauspiel Bonn in die neue Saison mit dem traditionellen Theaterfest. Das Besondere dieses Jahr: Das Theater feiert am Schauspielhaus in Bad Godesberg und nicht wie in den letzten Jahren an der Oper. Da es dort weniger bespielbare Fläche gibt, hat der neue Schauspieldirektor Jens Groß bereits verkündet, dass man vor allem auch mit dem Außenbereich, also dem Platz vor den ehemaligen Kammerspielen, arbeiten wird. Außerdem wird das Beethovenorchester zusammen mit Ensemblemitgliedern der Oper unter freiem Himmel ihr Können unter Beweis stellen. Wir können also trotz kleinerem Veranstaltungsort, mit viel Kreativität und Überraschungen rechnen. THEATRAL wird ebenfalls mit einem Infostand vor Ort sein, wer möchte, kann uns dort gerne einmal persönlich kennenlernen und sich mit uns über Theater und Schreiben austauschen.
Für uns ist das Theaterfest auch Anlass mal einen Blick auf die Spielzeit zu werfen, die da so vor uns liegt.
Schlägt man das Spielzeitheft auf steht ganz am Anfang ein Zitat von Gottfried-Wilhelm Leibniz: „Unsere Welt ist die beste aller möglichen Welten.“ Nach dem doch eher deprimierenden Motto der letzten Spielzeit, klingt das erfrischend optimistisch. Aber vielleicht auch zu optimistisch? Schließlich lässt sich nicht leugnen, dass in unserer Welt nicht alles Friede, Freude Eierkuchen ist. Man sollte das Zitat auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.
Unser erster Eindruck: die wohltuende und erfrischende Mischung aus Klassikern und Uraufführung scheint zuerst einmal beibehalten worden zu sein. Eine schöne Überraschung: die zwischenzeitlich aus dem Spielplan gefallenen Familienstücke sind zurückgekehrt und hängen den Maßstab gleich hoch mit Shakespears SOMMERNACHTSTRAUM (Regie: Corinna von Rad). Dessen bunte und magische Protagonisten sollten sicher manches Kinderherz höher schlagen lassen, auf die sprachliche Umsetzung darf man gespannt sein.
KLASSIKER NEU INSZENIERT
Eröffnet wird die Spielzeit mit einem französischen Klassiker: CANDIDE ODER DER OPTIMISMUS von Voltaire, inszeniert von Simon Solberg. Voltaire? War das nicht ein Philosoph der Aufklärung? Tatsächlich ist CANDIDE kein Theaterstück, sondern eine Novelle, die sich vor allem durch ihren satirischen Zynismus auszeichnet. Hier sei kurz Jens Groß im Vorwort des Spielzeitheftes zitiert: „Für die Spielzeit 2018/19 haben wir uns vorgenommen, auf die deutsch-französische Aufklärung und ihre Folgen zu sehen. Wie kann der Mensch besser werden? Was muss er wie lernen? Was tun? In erster Linie braucht er Mut, überhaupt etwas zu tun.“ Aufgrund ihrer Bekanntheit wird dieser Anspruch in den Klassikern JUGEND OHNE GOTT (Ödön von Horváth, letztes Jahr im Kino verfilmt, Regie: Dominic Friedel), JACOB DER LÜGNER (Jurek Becker, Regie: Stefan Viering) – beide spielen während der Terrorherrschaft des Nazi-Regimes – ORESTIE (Aischylos, sicher spannend für Latein/Griechisch/Geschichtskurse, Regie: Marco Štorman), DER MENSCHENFEIND (Molière, Regie: Jan Neumann), WARTEN AUF GODOT (Samuel Beckett, Regie: Luise Voigt) sicher erfüllt. Für unsere Leser vielleicht weniger bekannt dürften die nun folgenden Stücke sein: LILIOM des ungarischen Dramatikers Ferenc Molnár beschreibt eine Geschichte über eine zerrüttete Ehe mit phantastischen Elementen; Regisseur Sascha Hawemann widmet sich dem Stoff, nachdem er bereits in der letzten Spielzeit WUT von Elfriede Jelinek in Bonn spektakulär inszeniert hatte. Außerdem DIE ZOFEN (Jean Genet, Regie: Claudia Bauer), in der es um zwei Zofen geht, die planen ihre Herrschaften zu ermorden; EINES LANGEN TAGES REISE IN DIE NACHT (Eugene O´Neill) ebenfalls eine Familiengeschichte, inszeniert von Martin Nimsz, der zuletzt mit FRAU VOM MEER (Henrik Ibsen) am Schauspiel Bonn war und noch vier weitere Stücke dort aufführen ließ.
Ein wenig aus der Reihe fällt ein Stück, das den meisten von uns vermutlich als Kinofilm bekannt ist: FRAU MÜLLER MUSS WEG zeichnet einen ziemlich düsteren Elternabend, in dem die Eltern alles ihnen mögliche tun, um die Klassenlehrerin loszuwerden – alles natürlich nur um das Beste für ihre Kinder zu erreichen. Jens Groß führt hier selbst die Regie.
ZUM ERSTEN MAL
Es sind aber ja nicht nur Klassiker versprochen, das Theater Bonn behält den Mix mit Uraufführungen bei. Simone Blattner war schon mit ihrer Inszenierung ABRAUMHALDE (Elfriede Jelinek) am Schauspiel Bonn zu Gast. Diese Saison möchte sie Ariane Kochs WER IST WALTER Leben einhauchen – uns erwartet eine moderne Gesellschaft, die sich vor der größtmöglichen Welt von Möglichkeiten befindet. In diesem Übermaß an Möglichkeiten können sich Menschen aber auch einfach verirren uns so steht die Frage im Raum: Wie geht man mit einem Walter um, der einfach verschwindet? Nach diesem nachdenklichen Werk, wird Simon Solberg ein zweites Mal in dieser Saison in Bonn inszenieren, OH WIE SCHÖN IST PANAMA MALTA möchte sich mit den Machenschaften von Briefkastenfirmen auseinandersetzen, vor dem Hintergrund der auf Malta getöteten Journalistin Daphne Caruana Galizia. Man erinnert sich hier möglicherweise an BND – BIG DATA IS WATCHING YOU.
Zum Schluss muss noch das bisher namenslose und geheimen Inhalts geplante Rechercheprojekt vom national erfolgreichen Regisseur Volker Loesch. Hier müssen wir uns in gespannter Geduld üben, denn noch ist eigentlich nichts bekannt.
FAZIT
Jens Groß hat auf Altbewährtes zurückgegriffen, wie seine Vorgängerin Nicola Bramkamp auch, und bekannte Gesichter für das Theater Bonn engagiert. Die Anzahl der Uraufführungen ist im Gegensatz zur letzten Spielzeit doch um die Hälfte (letztes Jahr waren es 5, zusätzlich der externen in der Uni Bonn sogar 6) verringert. Das ist schade, natürlich verkauft sich Bekanntes häufig besser beim Publikum, aber gerade die Freude am Experimentieren ist doch dem Theater so eigen, hier sollte man versuchen am Ball zu bleiben und neuen Autoren Freiräume zu schaffen. Denkt man zurück an das vorangestellte Zitat scheint die Stückwahl doch nicht so optimistisch: Es scheint eher ein Hinterfragen der Annahme der besten aller Welten zu sein – nachdenklich und Probleme aufzeigend, wie Theater gerne sein darf.
AUCH DAS NOCH
Neben den ganzen neuen Inszenierungen sollte auch das Herzstück nicht vergessen werden: die Schauspieler, ohne die es schließlich kein Stück geben würde. Gleich neun neue Gesichter und deren Talente können wir diese Spielzeit begrüßen: Christian Czeremnych, Annina Euling, Christoph Gummert, Thimo Kählert, Annika Schilling, Gustav Schmidt, Daniel Stock, Sandrine Zellert und Klaus Zmorek sind ab dieser Spielzeit feste Ensemblemitglieder in Bonn. Letztere hatte bereits einige Auftritte im Bonner Contra-Kreis-Theater. Insgesamt wirkt das Ensemble noch jünger und frischer, ein gutes Zeichen für die Spielzeit. Da kann auch über das leichte Missverhältnis von 8 Frauen zu 13 Männern – bei den Regisseurinnen sogar ein Verhältnis von 5 zu 10 – hinweggesehen werden.
Wir freuen uns jedenfalls auf eine spannende Saison!
Tabea Herrmann & Rebecca Telöken
Das Programm zum Theaterfest und weitere Informationen findet Ihr hier:
http://www.theater-bonn.de/spielplan/gesamt/event/theaterfest-2018/vc/Veranstaltung/va/show/