(Vorschaubild (c) Antonia Schwingen)
In der vierten Ausgabe von Max Moors Reihe „Max Moor und die Kunst“ sprach der Moderator über die Kunst der Weltverbesserung. Ein brandaktuelles Thema angesichts der Kriege, dem verschwenderischen Umgang mit Lebensmitteln, Kosmetik und Textilien und der globalen Erwärmung, die unsere Zeit bestimmen.
Da fragt man sich doch: Ist unsere Welt eigentlich noch zu retten? Diese Frage haben die Gäste dieses Abends so anscheinend in ihren Überlegungen jedoch übergangen und sind stattdessen direkt zum „Wie ist die Welt noch retten“ gesprungen. Der Aktivist Raphael Fellmer, der Grünen-Nachwuchs André Rathfelder sowie Olga Witt, Gründerin des Kölner Zero-Waste-Ladens „Tante Olga“ bildeten eine sehr homogene Gesprächsgruppe.
Über die Hälfte aller vom Menschen verursachten Treibhausgase werden durch die Tierindustrie erzeugt, weltweit wird ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen, während Millionen Menschen hungern, täglich werden tonnenweise einwandfreie Textilien weggeschmissen. „Und was kann ich dagegen tun?“ werden sich wahrscheinlich viele fragen, die mit diesen Fakten konfrontiert werden. „Soll ich Veganer werden, der Second-Hand-Klamotten trägt und Lebensmittel isst, die sonst im Müll landen würden, oder was?“ „Natürlich, was denn sonst?“ ist Raphael Fellmers Antwort darauf. Fellmer ist angesichts der Tatsache, dass weltweit etwa ein Drittel (in Europa sogar die Hälfte!) aller produzierten Nahrungsmittel weggeworfen werden, nicht verzweifelt, sondern hat foodsharing ins Leben gerufen, ein Netzwerk, dem jeder beitreten kann und in dem Essen vor dem Gang in die Tonne bewahrt und verteilt wird. Bis heute haben elf Millionen Menschen so fast sechs Tonnen Lebensmittel gerettet. Um zu demonstrieren, wie viel es im Überfluss gibt, verbrachte Fellmer fünf Jahre im Geldstreik und lebte von den Sachen, die sonst weggeschmissen werden. Er wohnte in einer von etwa 600.000 leerstehenden Wohnungen in Deutschland und reiste sogar bis nach Mexiko und zurück, ohne einen Cent auszugeben. Seine Konsequenz und der Optimismus, den der 33-Jährige im Interview zeigte, waren beeindruckend.

Olga Witt lebt nahezu ohne Müll. Max Moor hakte nach und wollte genauer wissen, wie das geht. Als sie ihm daraufhin das einfache Beispiel gab, dass es schon bei der Wahl der Art des Eisverzehrs beginne (die Waffel wird gegessen, der Becher hingegen landet im Müll), wandte der Moderator ein, dass er dann aber mindestens vier Taschentücher brauche, um sich die Finger zu säubern. Schade, das war`s dann wohl mit dem müllfreien Leben, Herr Moor. Hände kann man sich natürlich auch einfach waschen, wie Witt hierauf anmerkte. Natürlich wird Olga Witt alleine nicht dafür sorgen können, dass der Plastikberg im Meer nicht weiter wächst, doch sie zeigt, dass es geht und wird bald noch mehr Menschen die Chance geben, bequem plastikfrei einzukaufen. Denn bald eröffnet sie in Köln den Zero-Waste-Laden „Köln unverpackt“, in dem Lebensmittel, aber auch Hygiene- und Büroartikel vollkommen verpackungsfrei verkauft werden.
Bedauerlicherweise bekommen viele Menschen ihre Lebensmittel nicht über foodsharing oder kaufen sie bei „Tante Olga“, sondern sie kaufen ihr Steak für einen Euro fünfzig, eingeschweißt und in Plastiktüten. Es ist zwar wunderbar, wenn eine Person müllfrei oder vegan lebt, doch zunächst ändert es gar nichts. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben die gleichen und die Gesetze bleiben es auch. Hier setzt der dritte Gast des Abends an: André Rathfelder ist Student und engagiert sich bei den Grünen. Nur wer die Gesetze und die politischen Rahmenbedingungen ändert, kann dafür sorgen, dass der Überproduktion und der verschwenderischen Lebensweise Einhalt geboten wird. Vegetarismus oder das „Bio“-Label verkommt zu schnell zu einem Lifestyle. Die Zukunft werde nicht im Bioladen, sondern im Bundestag verhandelt, meint Rathfelder. Die Umweltbewegung muss also politischer werden. Ironischerweise haben ausgerechnet die meist eher wohlhabenden Grünen-Wähler den höchsten CO²-Fußabdruck, da sie mehr fliegen und größere Wohnungen zu beheizen haben. Innerhalb der Strukturen einer westlichen Industrienation gibt es keinen echten ökologischen Lebensstil, völlig unabhängig von den eigenen Überzeugungen.
Der nächste Punkt in diesem Gespräch wäre es gewesen, zu diskutieren, in wie weit der Kapitalismus zwangsweise zu einem verschwenderischen und umweltfeindlichen Lebensstil führt. Leider wurde dieser Punkt erst am Ende von einem Zuschauer angesprochen, sodass für eine Diskussion keine Zeit mehr blieb. Max Moor versuchte an einigen Stellen, Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gästen zu evozieren, doch es herrschte vor allem Anerkennung und Wertschätzung für die Arbeit der anderen, wodurch seine Versuche erfolglos blieben. Raphael Fellmer, der keine Tiere isst, da er ihnen ein Recht auf ein würdiges Leben zuspricht, entgegnete Moor, der als Bio-Bauer Kühe schlachtet, er halte und schlachte Kühe, gerade weil er es möge, wenn die Kühe auf der Weide ständen. Dies wirkt natürlich paradox, doch wie er dies genau meinte, klärte er nicht auf. Er sei schließlich nur Moderator. Solche angedeuteten Argumente hätte sich der charismatische Gastgeber sparen können.
Die Ansichten der Gäste waren inspirierend, ihre Konsequenz und ihr Engagement bewundernswert. Es wurde weniger darüber gesprochen, was alles schief läuft, sondern viel mehr die Aktionen derer vorgestellt, die einen Wandel vorleben. Durch die jungen Gäste war der Abend gerade für junge Menschen interessant. Nur etwas länger hätte der Abend dauern können, um sich mehr Zeit für die Fragen der Zuschauer zu nehmen.
Lucas Krah
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