“Uns geht die Zukunft aus”

Vorschaubild (c) Thilo Beu

Mit „Wildfire Road“ feierte die Regisseurin Verena Regensburger ihre erste – gelungene – Premiere in Bonn. Sie inszenierte einen Text von Eve Leigh.

Wildfire Road beginnt mit einer minimalistischen Bühne mit Lichtern und einem Hügel Gras (Bühne: Marie Häusner). Und mit zwei Menschen wie Du und Ich: Dave (Sören Wunderlich) und Mariella (Sandrine Zenner). Die Geschichte wird dann sozusagen von hinten aufgerollt. Dave und Mariella erinnern sich an die Geschehnisse, die sie auf diesen Grashügel gebracht haben. Auch wenn sehr schnell klar ist: Erinnern, das ist immer auch ein bisschen mit Fehlern und subjektiver Interpretation verbunden.

(c) Thilo Beu

Dave und Mariella sind ganz am Anfang ihrer Beziehung und entscheiden sich nach Tokio zu fliegen. Im Flugzeug kommt es dann zu einer gewaltfreien, eher ungewöhnlichen Entführung. Ab hier tauchen auch die anderen Passagiere auf, die aber nur als Stimmen in Erscheinung treten, begleitet vom Aufleuchten einzelner Lichtstäbe (Licht: Ewa Górecki). Es ist ein gut gelungener Weg, der auf einer minimalBühne, doch eine Vielzahl von Personen in den Köpfen der Zuschauenden entstehen lässt.

(c ) Thilo Beu

Zenner und Wunderlich schlüpfen zwischendurch auch in andere Rollen, wie z.B. in die des Flugbegleiters. Durch seine Erinnerung: Die Entführerin erzählt gegenüber dem Bordpersonal, sie komme aus der Zukunft und würde das Flugzeug retten. Denn: Ganz Europa werde von einem Flächenbrand heimgesucht. Ein erschreckenderweise nicht unrealistisches Szenario – nach diesem Sommer voller Waldbrände kommt es einem als Zuschauer:n eigentlich völlig logisch vor, dass das passieren könnte. Die Entführerin erzählt weiter: Nur, wenn das Flugzeug in Sibirien landet seien sie sicher.  

Immer wieder öffnet Widlfire Road eine weitere Metaebene mit Sören Wunderlich, der in einem Raumanzug über der Geschichte schwebend bzw. über sie nachdenkend Monologe führt. Und dabei eine Stimmung fassbar macht die einem aus den letzten Jahren sehr bekannt vorkommt.

 „Ich will die Katastrophen, die auf uns zukommen, gar nicht nennen. Ich habe den Eindruck, wenn ich sie benenne, dann wissen sie, dass es mich gibt.“

Wildfire Road

Die in London lebende Autorin des Textes erklärt im Programmheft, wie sie zu der Idee kam: „Ich hatte und habe das Gefühl, dass das Vereinigte Königreich entführt wurde – vor allem die Zukunft. In dieser düsteren politischen Lage nimmt die Zukunft völlig ungeahnte Wendungen an, sodass Erwartungen und Hoffnungen einfach unmöglich werden. Dazu kam dann noch Covid.“

Es ist eben dieses Lebensgefühl mitten in der Krise, das die Autorin des Textes aufgreifen wollte.

„War ja klar, das würde nicht so kommen, wie ich es mir erhofft hatte. Ich darf verdammt noch mal Hoffnungen haben. Ich habe eine gute Zukunft verdient.“

Wildfire Road
(c) Thilo Beu

Regisseurin Verena Regensburger und Dramaturg Jan Pfannenstiel ist es gelungen, diese Stimmung ganz gut an das Publikum weiterzugeben. Bleibt schließlich die große Frage für die Realität und für die Bühne: Wer rettet uns alle am Ende? Anders als auf der Bühne hat die Realität keine Entführerin, die kommt und diejenigen mitnimmt, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt die besten Überlebenschancen haben. Und so ist es sehr konsequent, dass die Entführerin nicht als Person auftaucht, sondern eine vage Entität bleibt, eine Stimme aus dem Off.

 „Sie ist die Fantasie der autoritären Dominanz, die Fantasie der guten Eltern, des guten Kindes, des Autors und die Fantasie, dass wir irgendwie gerettet werden. Ich persönlich habe diese Fantasie, wenn es um den Klimawandel geht. Ich möchte, dass jemand etwas unternimmt. Ich hasse es, dass es nur uns gibt.“

Autorin Eve Leigh in einem Interview im Programmheft

Wildfire Road ist ein empfehlenswertes Stück. Die Erzählung entwickelt sich zu Beginn eher gemächlich , nimmt aber zügig Fahrt auf und hat trotz der eher pessimistischen Ausgangslage auch fröhliche Momente. Thematisch ist es aktueller denn je und bietet durchaus Identifikationsfläche.

Tabea Herrmann

%d Bloggern gefällt das: