Inside Anna Karenina

(Vorschaubild (c) Thilo Beu)

„Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre eigene Weise.“

So berühmt dieser erste Satz ist, so berühmt ist auch das dazugehörige Stück. „Anna Karenina“ von Lew Tolstoi gehört sicherlich zu den Klassikern schlechthin. Eine neue Inszenierung unter der Regie von Luise Voigt feierte am 29.10. Premiere im Schauspielhaus.

(c) Thilo Beu

Kurz zusammengefasst wird in dem Stück die privilegierte russische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts dargestellt. Aus dem gut tausendseitigen Buch wurden exemplarisch die Schicksale dreier miteinander in Beziehung stehender Paare herangezogen. Zum Einen geht es um die Ehe zwischen dem Fürsten Oblonski(Bernd Braun) und seiner Frau Dolly (Lena Geyer), zum Anderen wird die Beziehung zwischen Dollys jüngerer Schwester Kitty (Linda Belinda Podzsus) und dem Gutsbesitzer Lewin (Alois Reinhardt) beleuchtet. Daneben, im Fokus der Erzählung, steht die unglückliche Ehe zwischen Anna (Annika Schilling) und Karenin (Daniel Stock), sowie Annas Liebesaffäre Graf Wronski (Christian Czeremnych). Während Anna der Grund dafür zu sein scheint, dass Dolly und ihr Mann versuchen ihre Ehe zu retten und Kitty schließlich Lewin heiratet, scheint sich bei Anna genau das Gegenteil zu ereignen. Sie gerät immer weiter in eine Abwärtsspirale. Je besser es den beiden anderen geht, desto mehr gerät Anna in Verzweiflung bis sie sich schließlich das Leben nimmt.

(c) Thilo Beu

Im Gegensatz zu dem sehr dicken Buch von Tolstoi kommt einem die knapp zweistündige Inszenierung erfrischend kurzweilig vor. Die Umsetzung von Luise Voigt hat sich vor allem auf die Emotionen der verschiedenen Charaktere konzentriert. Stimmungsvoll unterstützt wurde das gesamte Stück vor allem durch den Einsatz von teilweise aufgezeichneten, teilweise liveaufgenommenen Videos, die auf drei riesigen Projektionsflächen bestehend aus Fadenvorhängen gezeigt wurden (Bühne und Kostüme: Maria Strauch). Damit konnten ganz viele Ebenen auch neben der gerade „real“ passierenden bespielt werden. Zum Ausdruck kamen Gedanken, Träume, Vorstellungen oder Vorahnungen. Die berühmte Stimme im Kopf wurde sehr plastisch durch die Stimme aus dem Off dargestellt. Dieses ganze Setup hat es dem Zuschauer erlaubt, den Figuren extrem nah zu sein, die Emotionen waren teilweise geradezu greifbar. Gefühlt war man Inside Anna Karenina und nicht bloß einfacher Beobachter. Die Unterstützung durch die Kameras hat auch dazu geführt, dass das großartige Spiel mit Mimik und Ausdruck der SchauspielerInnen besonders zur Geltung kam.

Insgesamt gebührt allen beteiligten SchauspielerInnen an dieser Stelle großes Lob für ihre fantastische Leistung, die das Publikum merklich mitgenommen hat. Es passiert nicht so oft, dass der abschließende Applaus zwar etwas verhalten ist, man aber im Publikum sehr viele beeindruckte Kommentare hört. Der verhaltene Applaus ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der Zuschauer einen Moment gebraucht hat, um wieder in der Wirklichkeit anzukommen und das Gefühl der Beklemmung abzuschütteln, das spätestens am Ende des Stücks jeden gepackt hat.

Katharina Wigger

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