(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Das Stück SUPERGUTMAN, inszeniert von Lukas Lindner, hatte am 27. Januar 2018 in der Werkstatt Bonn seine Premiere. Thema des Stücks ist das Zusammenleben von fünf Nachbarn: Parzival Pech (Matthias Breitenbach), Irma Pfeifer (Lydia Stäubli), Herrn Werner (Wilhelm Eilers), Frau Werner (Bernd Braun) und Frau Zuber (Johanna Falckner). Parzival Pech, der Protagonist, hilft seinen Nachbarn in allen möglichen Situationen: wenn mal wieder das Internet nicht funktioniert oder der Tiramisu-Vorrat ausgeht. Doch eines Tages bittet ihn die alleinerziehende Nachbarin Irma Pfeifer um Hilfe, da das Kinderschutzamt ihr ihre Tochter weggenommen hat. Nun gibt Herr Pech sein Bestes, um die Tochter zur Mutter zurück zu bringen und vertraut dabei auf die Hilfe seiner Mitmenschen.

Es braucht eine Weile, um sich in das Stück einzufinden und die Situation zu verstehen. Das Tempo des Stückes ist anfangs eher bedächtig; der Zuschauer wird zunächst in das Bühnenbild eingeführt, bevor die Charaktere anfangen, miteinander zu reden und sich dem Publikum zu vorzustellen. Doch schließlich findet der Zuschauer Zugang zu ihnen, vor allem zu Herrn Pech. Obwohl er sein Bestes gibt, um seinen Nachbarn zu helfen, geben sie ihm nichts zurück und scheinen ihn noch nicht einmal zu mögen. Stattdessen lästern sie über ihn hinter seinem Rücken und beleidigen ihn, wodurch der Zuschauer einerseits mit Herrn Pech mitfühlt, sich aber andererseits über seine Naivität ärgert. Des Weiteren überzeugt das Stück am Anfang mit seinem etwas skurrilen Humor.
Während Pechs Versuchen, Frau Pfeifers Tochter wiederzubringen, scheint eine Entwicklung in seinem Charakter vorzugehen: er sieht nicht mehr nur das Gute in Menschen, sondern lernt, dass sie teilweise auch schlechte und egozentrische Seiten haben. Des Weiteren wird deutlich, dass Herr Pech selbst auch nicht perfekt ist, was ihn zu einem vielschichtigen und dadurch überzeugenden Protagonisten macht. Diese Entwicklung wird auch durch einen Wechsel der Kostüme deutlich. Pech trägt zu Beginn noch eine farblose Einheitskleidung, kaum von der der anderen Spieler zu unterscheiden, nachherein individuelles Superheldenkostüm.
Den Höhepunkt des Stückes stellt wohl der Fernsehauftritt dar, in welchem Frau Pfeifer und Herr Pech versuchen, das Publikum davon zu überzeugen, dass Frau Pfeifers Tochter ihr fälschlicherweise weggenommen wurde. Hierbei werden Fernsehshows kritisiert, indem einige ihrer Eigenschaften überspitzt dargestellt werden, wodurch geschickt Gesellschaftskritik und

Humor miteinander verbunden werden. Die Moderatoren der Show lassen beispielsweise die Gäste niemals ausreden, sondern antworten an ihrer Stelle. Des Weiteren manipulieren sie sie durch Suggestivfragen. Passenderweise tragen alle Besucher der Fernsehshow, bis auf Frau Pfeifer und Herrn Pech, Masken, was die Teilnehmer einer Fernsehshow wie identitätslose Spieler in einer Rolle erscheinen lässt.
Das Stück bedient sich sehr vieler verschiedener Elemente, welche es allerdings nur zum Teil schaffen, dem Stück mehr Dramatik und Tiefe zu geben. Dazu zählen sowohl das Donnergrollen zur Unterstreichung eines dramatischen Momentes wie auch die überlangen Ärmel der Mäntel, welche geschickt verwendet werden, um verschiedene Empfindungen wie Distanz oder Aggression darzustellen.
Auf der Website der Werkstatt werden die Subjektivität des Gutseins und damit der Kampf verschiedener Superhelden mit unterschiedlichen Moralvorstellungen als die Aussage des Stückes beschrieben. Diese verschiedenen Moralvorstellungen in Form von Superhelden hat die Autorin in der Inszenierung nicht wiedererkannt.. Das Ehepaar Werner und Frau Zuber haben sich nämlich im Laufe des Stückes als böswillige, selbstsüchtige, manipulative Menschen entpuppt und wirken deshalb eher wie Bösewichte, die vom Superhelden besiegt werden müssen und nicht wie eine eigene Gruppe von Superhelden.
In meinen Augen verfolgt das Stück allerdings eine andere Aussage, nämlich eine eindeutige Gesellschaftskritik, die nach und nach, vor allem durch die Aktionen von Pechs Nachbarn, deutlich wird. Denn der eigentlich herzensgute Herr Pech wird, wie es so oft der Fall ist, in keinster Weise akzeptiert und für seine Hilfsbereitschaft geschätzt, sondern stattdessen so lange ausgeschlossen und manipuliert, bis er seinen Mitmenschen misstraut und unter Wutausbrüchen leidet.
Das Stück kann also mit seinen Charakteren und seinen kritischen Aussagen durchaus überzeugen, stiftet aber durch überladene Elemente und teilweise unpassende Versuche humorvoll zu wirken Verwirrung. SUPERGUTMAN ist vielleicht nicht jedermanns Sache, wer aber abgedrehten Humor gerne mag und sich mit der Gesellschaftsmoral und Superhelden beschäftigen möchte, sollte sich das Stück nicht entgehen lassen.
Jael Keck