Simon Solberg zu Gast beim Bonner Theaterfest
Modernes Theater lebt nicht mehr von der Grenze zwischen Bühne und Publikum. Der Zuschauer ist Anspiel-Partner, Spielfläche, Resonanzkörper und im wahrsten Sinne des Wortes auch Mitläufer: Eine „Lecture-Performance“, so nennt man das heutzutage. Der Text darf gerne abgelesen werden, der Übergang von Privatperson zu Schauspieler und von Schauspieler zu Figur darf holperig von Statten gehen, viele lieben die Durchbrechung der vierten Wand. Die performierte Lesung kommt ohne aufwendige Requisiten aus, alles wird minimalistisch angedeutet, wobei zwei Spieler sämtliche Figuren der Story verkörpern.
Soweit jedenfalls die Umsetzung des Regisseurs Simon Solberg, der in Bonn bereits WOYZECK und BND – BIG DATA IS WATCHING YOU auf die Bühne brachte. „Der Fisch im Hamsterrad“ ist ein szenischer Rundgang durch das Bonner Operngebäude und wurde bisher nur anlässlich des Theaterfestes oder der Bonner Theaternacht aufgeführt. Die Inszenierung scheint von Mal zu Mal beliebter zu werden, wodurch schnell alle Plätze vergeben sind.
Die Geschichte wird klassischer Weise in der 1. Person Plural erzählt. Wir sind zwei Freunde, wir haben Probleme, wir machen ziemlich viel Blödsinn. Unsere beiden Protagonisten stehen beide an einem Punkt in ihrem Leben, an dem es einfach nicht mehr so weiter gehen kann wie bisher. Ohne Job, ohne Wohnung und mit einer Familie die nur Ärger macht. Sie beschließen, auf einem alten Schrebergarten-Grundstück ein Hostel zu errichten, besser gesagt eine Mischung aus Pommesbude und Hotel. Auf ihrem Weg als Start-up-Unternehmer begegnen sie den verschiedensten Schrebergarten Besitzern bekommen diverse Lebensweisheiten zu hören und begehen selbstverständlich sämtliche kindliche Dummheiten. Als sie eines Morgens nach einer durchgefeierten Nacht mit ihrem Auto im Rhein landen, müssen sie ihren Traum vom Pommes – Hostel beinahe wieder aufgeben.
Wir sehen Daniel Breitfelder, Philip Basener, Benjamin Berger, Manuel Zschunke, Glenn Golz und Daniel Gawlowski als Pantoffelhelden des Alltags mit unheimlich viel Witz und Charme. Gespielt wird auf einer Probebühne, im Lastenaufzug und irgendwo hinter der Werkstatt. Immer zwei Spieler auf der Bühne und 20 Minuten Vollgas, dann wechseln Spieler und Spielstätte sich wieder ab. Man sieht sich nie satt, Langeweile kann nicht aufkommen.
Diese Lecture-Performance ist unterhaltsam, lustig und abwechslungsreich, vielleicht gerade wegen ihrer Kurzweiligkeit so zeitgenössisch. Auf jeden Fall darf Theater gerne öfter so sein.