Eine perfekte Mischung aus Theater und Pädagogik?

Einige Fragen an die Theaterpädagogin Inga Waizenegger

Die Tatsache, dass es im Theater nicht nur Schauspieler gibt, hat sich heutzutage glücklicherweise weitestgehend verbreitet. Dennoch gibt es immer noch einige Berufe am Theater, bei denen sich der Volksmund nicht über den eigentlichen Wirkungsbereich einig geworden ist. Um euch einen dieser Berufe etwas näher zu bringen, habe ich als Ensemblemitglied des Jugendclubs das Gespräch mit unserer Regisseurin und Theaterpädagogin Inga Waizenegger im Rahmen der Endproben zu „Ein STÜCK VON MIR besucht und einige interessante Anekdoten ihres Alltages erzählt bekommen.

Theatral: Liebe Inga, vielen Dank, dass du trotz der momentanen stressigen Probenphase ein paar Minuten für einige Fragen gefunden hast. Erzähl doch bitte, wie bist du eigentlich zum Theater gekommen?

Inga: Auch wenn ich als Kind immer Theater gespielt habe, war es kein gerader Weg. Ich habe dann irgendwann gemerkt, dass es mir mehr Spaß macht, anderen Menschen das Theater näher zu bringen, sprich Theatervermittlung, und nicht selber zu spielen. Mit 25 habe ich für vier Jahre Theaterpädagogik in Ottersberg bis zum Bachelor studiert und nebenbei Assistenzen am Theater gemacht und bei Jugendfestivals mitgeholfen, z.B. in Oberhausen, Wiesbaden und Bremen.

Theatral: Für mich klingt das nach einem spannenden und abwechslungsreichen Studium, aber wie würdest du deinen Werdegang bis jetzt beschreiben?

Inga: Während meines praxisorientierten Studiums war für mich nach zwei Jahren bald klar, dass ich möglichst schnell anfangen wollte als Theaterpädagogin zu arbeiten und auch irgendwie frei zu sein. Ich habe mich dann für das Ruhrgebiet entschieden, da es kulturell gesehen sehr fortschrittlich ist und kam als Theaterpädagogin ans Theater Dortmund, wo ich das Jugendensemble geleitet habe. Ich habe mich entscheiden freiwillig zu gehen, da ich noch mehr sehen wollte und es für mich weitergehen musste.

Theatral: Jetzt hätte ich noch ein paar allgemeinere Fragen. Wie bist du eigentlich in den Betrieb eingeordnet?

Inga: Ich gehöre zur Spart 4, der eigenständigen Kinder- und Jugendsparte des Theaters. Wir sind zu dritt, meine Vorgesetzte Angela Merk und ich betreuen und bereiten die Produktionen im Schauspiel vor, während Rose Bartmer die Projekte des Musiktheaters betreut. Wir haben auch eigene Produktionen wie Igraine ohne Furcht, Wunderland, All aboutnothing und Winterreise.

Theatral: Gibt es irgendwelche theatralischen Erlebnisse, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?

Inga: Das Beeindruckendste war wohl meine Arbeit mit einem Proficlown in Kombination mit einer 8. Klasse. Gemeinsam haben wir „Das Haus der Temperamente“ inszeniert. Es war einfach unglaublich zu sehen, wie aus den Schülern, die sich anfangs noch gegen die Arbeit gewehrt haben, Schauspieler geworden sind und jeder in seinem Bereich glänzen konnte, wie sich die Klasse zu einem Ensemble entwickelte, das Eis gebrochen wurde, der Funke übergesprungen ist und dieser gesamte Schulkontext aufgebrochen werden konnte.

Theatral: Da du nun in Bonn angekommen bist, wie gefällt dir das Arbeiten hier am Theater?

Inga: Es ist super, aber auch eine große Herausforderung. Wir haben hier in der Sparte 4 ein fantastisches Team, ohne das nichts geht und das Theater liegt wunderschön am Rhein. Es ist neu für mich  mitten in einem so großen Haus zu sein und gestaltet sich manchmal auch echt kompliziert. Dennoch gefällt mir diese vielseitige Arbeit sehr.

Theatral: Schön, dass es dir hier so gut gefällt. Jetzt würde ich mit dir gerne etwas mehr über deinen Beruf sprechen. Warum wird man Theaterpädagogin? Was macht man da eigentlich und wie sieht ein typischer Tagesablauf aus?

Inga: Grob gesagt geht es um die kulturelle Vermittlung für Kinder und Jugendliche, was dann auch wiederum Bildung ist und auch dafür sorgt, dass das Theater nicht ausstirbt. Wir bereiten verschiedene Produktionen mit Schulklassen vor und führen sie mithilfe szenischer Workshops, bei denen sie auch selbst aktiv werden dürfen, auf eine spielerische Weise an die Thematik heran. Dafür besuchen wir die Schulen, oder einzelne Schulklassen besuchen uns. Außerdem touren wir mit dem Theatercontainer von Schulhof zu Schulhof, führen Nachgespräche, organisieren Probenbesuche, gerade für die Pädagogen gibt es offene Proben, sowie Fortbildungen. Natürlich gehört auch das künstlerische Arbeiten mit dem Jugendclub dazu, wo ich dann meiner Kreativität freien Lauf lassen kann. Es ist also eine gute Mischung aus Unterwegs-sein, Büroarbeit und Kreativität.

Theatral: Du hast demnach in deinem Beruf viel mit Kindern und Jugendlichen, aber auch mit dem Theater zu tun. Aber wie viel Theater und wie viel Pädagogik steckt nun wirklich in diesem Beruf, überwiegt da vielleicht eine Seite?

Inga: Damit habe ich mich nie so wirklich beschäftigt. Ich meine, was ist denn jetzt genau Pädagogik? Schließt das eine das andere aus? Für mich war das nie die Frage, da ich das Theater mit all seinen Facetten anderen Menschen näher bringen wollte und da diese Frage jedem selbst überlassen sein sollte.

Theatral: Das stimmt, das Menschliche sollte im Vordergrund stehen. Was macht dir denn am meisten Spaß in deinem Beruf?

Inga: Auf jeden Fall die Routine, der geregelte Ablauf im Büro und auf viele verschiedene Menschen zu treffen. Da alles immer wieder aufs Neue durchdacht werden muss, muss ich flexibel sein und mich immer wieder selbst neu fordern. Mein Beruf ist abwechslungsreich, bei jeder neuen Produktion muss ich mir ein neues Format ausdenken, um meine Workshops zu leiten. Es gibt einfach kein Schema, welches richtig ist, das ist anstrengend aber auch cool.

Theatral: Um jetzt noch einmal näher auf deine Arbeit mit Kindern bei den Workshops einzugehen. Wie reagieren die meisten Kinder und Jugendliche bei ihrem ersten Kontakt mit dem Theater?

Inga: Die Meisten sind zunächst immer sehr skeptisch und haben keine Vorstellung von Theater, das Kino ist eigentlich immer cooler. Es ist immer so nach dem Motto: Theater ist langweilig, anstrengend, das verstehe ich nicht!

Theatral: Das klingt in der Tat nach den typischen Klischees. Was machst du denn mit Kindern, die sich partout nicht fürs Theater interessieren, oder nicht mitmachen wollen?

Inga: Also erfahrungsgemäß gibt es diese Kinder nicht. Ich bin eine fremde Person, keine Lehrerin, ich lasse mich duzen und habe eigentlich immer einen guten Stand bei den Kindern. Besonders wenn Schulklassen zu uns kommen, wenn sie durch den Bühneneingang gehen dürfen und Einblicke erhalten, die andere Gleichaltrige nicht bekommen, wirkt die Theateratmosphäre und das Feeling und die Neugier siegt.

Theatral: Das kann ich definitiv gut nachvollziehen. Was würdest du Kindern raten zu tun, wenn sie selbst Theater spielen oder ausprobieren wollen?

Inga: Natürlich in den Jugendclub zu kommen! Den gibt es jedes Jahr bei uns am Haus und die Anmeldung ist zu jeder neuen Spielzeit möglich, mithilfe einer Online-Bewerbung. Der Jugendclub wird vom Haus unterstützt und erprobt jedes Jahr eine eigene Produktion. Die Ensemblemitglieder werden selbst zu einem Teil des Theaters. Bei den ersten Proben darf zunächst noch geschnuppert werden, aber dann verpflichtet man sich auch für dieses Jahr.

Theatral: Um jetzt nochmal auf unseren Jugendclub zu kommen. Was hast du gedacht, als du uns zum ersten Mal gesehen hast?

Inga: Eine heterogene, interessierte Gruppe.

Theatral: Die Premiere ist vorbei – wie blickst du auf unsere Entwicklung zurück?

Inga: Sechs Monate Arbeit liegen hinter uns und langsam wird es ernst. Spätestens jetzt nach der Theaternacht geht es in den Endspurt und das ist schön. Die Emotionen kochen hoch, man kann nicht mehr, denkt darüber nach hinzuschmeißen, aber es liegt trotzdem eine tolle Energie des Schaffens in der Luft. Jetzt geht es darum, vertrauen zu haben und unsere Kräfte für die Premiere zu sammeln, um eine tolle Show – eine Explosion – zu erleben und das Ganze zu eine einzigartigem Erlebnis zu machen – als Ensemble.

Theatral: Zu guter letzt: was würdest du dir für einen Jugendclub beim nächsten Mal wünschen?

Inga: Ich hätte gerne noch einmal so ein tolles heterogenes Ensemble in jeder Hinsicht: Schüler, Studenten, mit- oder ohne Erfahrung, das war unglaublich bereichernd.

Theatral: Dann wünschen wir uns allen mal ToiToiToi! Danke für dieses aufschlussreiche Interview.

 

Das Interview führte Kim Sterzel

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