Aus einer Wohnungsbesichtigung wird eine Besichtigung der Probleme des modernen Bürgertums vom politischem Hipster-Student bis zum vereinsamten Alten
Mit dem Stück DER HAKEN von Lutz Hübner und Sarah Nemitz legt das Bonner Theater mal wieder den Finger in die Wunde und eine neue Uraufführung auf das Pakett. Die realen Kuriositäten der Wohnungsbesichtigungskultur in Großstädten der heutigen Zeit werden gemixt mit großen Fragen der modernen Gesellschaft. Der Regisseur Roland Riebeling beschreibt das Stück – im Programmheft – als eins, das Spaß macht und weh tut und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Hier folgt er seiner Linie, die er bereits u. a. in ISTANBUL ausgezeichnet unter Beweis gestellt hat.
Das Stück spielt in einer der gehobenen Gründerzeit Wohnungen in Bonn.
Von Anfang an überzeugen die Schauspieler mit ihrer pointierten, aber nicht übertriebenen Darstellung ihrer Charaktere, die sich mit ihren unterschiedlichen und zum Teil konträren Bedürfnissen auseinander setzen müssen: Sechs der Charaktere (Lydia Stäubli, Daniel Stock, Birte Schrein, Markus J. Bachmann, Julia Kathinka Philippi, Annika Schilling) versuchen, mit dieser sehr günstigen Wohnung in dem völlig überteuerten Wohnungsmarkt ein Schnäppchen zu ergattern. Doch fragen sie sich alle im Laufe des Stücks „Wo ist der Haken?“

Dem gegenübergestellt, ist der schräge als Makler auftretende Martin (Timo Kählert) und der geheimnisvolle Wohnungseigentümer Benedikt Goldmann (Wolfgang Rüter).
Einsamkeit, Versorgung im Alter, Eheprobleme, Scheidung, junge Menschen, die ihren Platz in der Gesellschaft suchen, Vorurteile, Rassismus, Sexismus, Kapitalismus, der Überkonsum der Reichen und Homophobie werden einem schmerzhaft, aber auch amüsant vor Augen geführt.
Neben der herausragenden Leistung der Schauspieler verdient die Kulisse ein großes Lob: Das Bühnenbild von Tom Musch stellt die sehr begehrte Wohnung perfekt dar und jeder der einmal in einer dieser Gründerzeit-Wohnungen war, fühlt sich direkt durch seine Erinnerung in das Geschehen hinein gezogen. Auf der Bühne sind jedoch nur das Wohnzimmer und die Küche aufgebaut. Die beiden Zimmer sind durch eine Tür getrennt, die unsichtbare Wand, die sonst nur Bühne und Publikum trennt, verläuft hier auch zwischen diesen Räumen. Ein besonderes Highlight des Bühnenbildes ist das Drehelement, das es ermöglicht, dass alle Räume plus einem Balkon in das Zentrum der Bühne gedreht werden können. So werden zwischenzeitlich drei Szenen gleichzeitig dargestellt, in dem dieser durch die Drehung immer wieder nacheinander in den Forderung gestellt werden; auch ein Sicht auf die Rückseite der Bühne wird möglich.
Empfehlenswert für alle, die sich gerne humorvoll mit etwas Fremdscham mit den Themen unserer Zeit auseinander setzen wollen.
Die Premiere fand am 2. Februar im ausverkauften Schauspielhaus Bad Godesberg statt.
Anuscha Enders & Jorg Stephan Kahlert
