(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Das Stück Der Eingebildet Kranke wurde für seinen Autor Jean-Baptiste Poquelin, besser bekannt als Molière zum Schicksalsstück. Nach der vierten Aufführung im 17 Jh. starb er an einem Schwächeanfall den er erlitt, während er selbst die Hauptrolle seines Stückes spielte. Die am 6. Dezember 2019 im Bonner Schauspielhaus als Premiere aufgeführte Inszenierung basiert auf der Bearbeitung des Originals durch Martin Heckmann. Dem Risiko eine Komödie zu inszenieren, bei der man naturgemäß auf der Rasierklinge zwischen Humor und Lacherfolg reitet, stellt sich die Regisseurin Simone Blattner überwiegend mit Erfolg:

Das Bühnenbild ist ein in eine Flucht gebautes Wohnzimmer, das den Eindruck von Enge erzeugt und auf diese Weise wohl auch die Gemütsverfassung des Protagonisten, Argan (Daniel Stock), widerspiegelt. In diese beklemmende Enge hinein und sehr konträr dazu wurde einen kleine Parklandschaft gebaut mit einer Trauerweide, einer Brücke die über einen Teich geht und einem Ruderboot, das abwechselnd als Sofa, Krankenbett und Boot Verwendung findet. In dem Zimmer befinden sich auch drei Türen über die die Charaktere die Bühne betreten. Sie sind wie in einem Krankenhaus mit Händedesinfektionsspendern, die von den Spielern fast manisch laufend genutzt werden, ausgestattet, und symbolisieren so die Absurdität der Krankenszenerie.
Die Handlung ist schnell zusammengefasst: Der Hypochonder Argan, der sich auf Grund seines Reichtums voll in seiner Psychose ergehen kann, versucht seine Tochter Angélique (Sandrine Zenner) mit einem menschlich tollpatschigen Arzt Thomas Purgon (Christoph Gummert) zu zwangsverheiraten. Angélique ist aber, wie die Jungend nun mal so ist, unsterblich in einen anderen Mann namens Cléante (Gustav Schmidt) verliebt, dessen Heiratsantrag sie bereits angenommen hat. Alle Charaktere versuchen aus den verschiedensten Motiven einer der beiden Hochzeiten zu verhindern, durchzusetzen oder die Tochter ins Kloster zu schicken, so der ganz eigennützige Plan der Stiefmutter (Ursula Grossenbacher). Unbedingt noch hervorzuheben ist das impertinente, aber der Familie gegenüber loyale Dienstmädchen Toinette (Annika Schilling), das als Intrigantin wesentlich zum vorankommen der Geschichte beiträgt und die heimliche Hauptrolle in dem Stück ist.

Bei dieser Aufführung geht es aber vor allem nicht um die Handlung, sondern um die Darstellung der dieser als Komödie. Daniel Stock gelingt es mit der Hauptrolle gleichzeitig sich glaubwürdig der Hypochondrie zu ergeben, als auch mit dem deutschen Comedy-Fernsehen bekannten Sarkasmus Lacher zu erzeugen. Wirklich Dynamik bringt aber erst Sandrine Zenner mit der trotz ihrer hohen Präsenz auf der Bühne durchgehend überzeugenden Darstellung der Toinette ins Spiel. Die anfangs recht schwerfälligen Slapstick-Elemente fügen sich über den Abend ein und große (gewollt chaotische) Szenen mit vielen gemeinsamen Akteuren gelingen, ohne vollständig ihr ihrer Komik unterzugehen. Etwas unklar bleibt während der gesamten Aufführung die Rolle der Flötistin Mona Raab. Sie ist nicht (wesentlich) in die Handlung eingebunden und Lacher kann sie nur als Projektionsfläche für die Cholerik des eingebildeten Kranken hervorlocken.
Trotz vereinzelter Schwächen, empfiehlt sich die Inszenierung für alle, die bei einer Komödie kein Gag-Feuerwerk á la Hollywood erwarten, sondern auch Freude daran haben, sich mit der theatralischen Präsentation des Humors auseinanderzusetzen. Auch die Vertrautheit mit dem Originalstück mindern die Schlagkraft der Pointen nicht.
Jorg Stephan Kahlert