Szenen einer ungewöhnlichen Ehe

(Vorschaubild (c) American Drama Group)

„Der Widerspenstigen Zähmung“ der American Drama Group war zu Gast im Schauspiel Bonn 

Wer sich etwas in Shakespeares Welt auskennt, wird früher oder später auch auf „Der Widerspenstigen Zähmung“ oder THE TAMING OF THE SHREW gestoßen sein, eine von Shakespeares bekanntesten Komödien, die aus einer Rahmenhandlung des Säufers Schlafer und der Hauptgeschichte der heiratsunwilligen Katharina und deren Familie besteht. Die American Drama Group gastierte im Schauspiel Bonn am 31.1.2017 und führte die Komödie in englischer Sprache auf.

Die Bühne ist beinahe leer, nur eine dreigliedrige Wand mit Rundbogenfenstern steht einsam im Zentrum. An ihr hängt ein Schild mit Shakespeares Abbild und der Aufschrift „Shakespeare  real ale“ (sic!) – wohl der Hinweis auf einen Pub – und noch bevor der Abend richtig beginnt, schwankt bereits ein grölender Mann mit langem blonden Haar, einer roten Käppi und einem Manchestertrikot durch die Zuschauerreihen. Jeder einzelne Besucher wird begrüßt, dabei reißt er Witze und ist offensichtlich betrunken. Auf der Bühne erscheint eine Frau, ordentlich gekleidet und über den mittlerweile ebenfalls auf der Bühne angekommenen Trunkenbold Schlafer, der sich auch schon zum Schlafen niederlässt, wenig erfreut. Sie schimpft über solch anstrengende Gäste, lässt ihn aber schließlich ins Land der Träume abwandern. Sein letzter Blick fällt auf ein goldenes Portrait, auf dem eine hübsche Dame, die den Zuschauern bereits verschmitzt zuwinkt, zu sehen ist.

Der Hallodri beginnt zu träumen und reist von der Gegenwart in die Vergangenheit – nach Italien, genauer Padua in die Zeit der Comedia dell‘arte, wie aus dem umfangreichen Programmheft zu entnehmen ist. Dazu passend tritt das Ensemble nun mit bunten Kleidern und venezianischen Masken auf. Aus dem Hallodri wird Petruchio (Dan Wilder), ein Mann, der auf der Suche nach einer guten Partie ist und ein gewisses Vermögen zu besitzen scheint. Er soll seinem Freund Hortensio (Andrew Goddard) dabei helfen, die Hand der schönen Bianca (Rhian Mclean) zu gewinnen. Das ist gar nicht so einfach, es gibt nämlich ein nicht unerhebliches Problem: Bianca darf erst heiraten, wenn ihre ältere Schwester Katharina (Miriam Swainsbury) den Bund der Ehe eingegangen ist. Zu allem Überfluss hat Hortensio auch noch Konkurrenz von dem belesenen und musikalischeren Lucentio (Will Frazer) und selbst der Vater der beiden Damen, der Baptista (Christopher Terry), ein reicher, aber mit der Erziehung seiner Töchter augenscheinlich überforderter Mann, glaubt selbst kaum daran, dass seine Katharina tatsächlich einen Ehemann findet. Sie ist zwar hübsch, aber ein Wildfang ohne gleichen;

(c) Richard Fechter
(c) Richard Fechter

Bianca hingegen nutzt ihr süßes Äußeres, um zu bekommen, was und wen sie möchte. Petruchio willigt in die Heirat mit Katharina ein, ohne zu wissen, dass seine zukünftige Frau wirklich ein ganz eigenes Kaliber ist.

Im Folgenden geht es im Wesentlichen um zwei Stränge: zum einen um die „Zähmung“ der Katharina, die auch den Kern der Erzählung bildet, zum anderen um ihre Schwester und ihre Liebhaber. Miriam Swainsbury spielt die Katharina mit einer Kraft, dass es einem Angst und Bange wird – ungeniert schlägt sie auf alles und jeden ein, was ihr nicht in den Kram passt, und das ist vor allem ihr erzwungener Ehemann Petruchio. Besonders lustig sind die kleinen Kampf- und Klamaukeinlagen, die von der Comedia dell‘arte speisen. Alles ist ein wenig überzogen, aber jeder Satz sitzt, jede Anspielung wird, durch ausladende Gesten und einer reichen Mimik verstärkt. Musik spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle, ob nun vom Band mittelalterlich wirkende Klänge ertönen oder aber das Ensemble bei der Hochzeit von Katharina und Petruchio einen lateinischen Choral anstimmt (zu der Petruchio absichtlich zu spät kommt und dann auch noch wirklich merkwürdige Kleider trägt, die für eine Hochzeit völlig unpassend sind!) – es passtalles zusammen. Wilder, der ja bereits im Vorfeld das Publikum mit seinen Späßen aufgeheizt hatte, gibt der Figur des Petruchio neben den juxigen Einlagen auch eine gewisse Gerissenheit, denn wie anders als nicht mit Essensentzug und strenger Hand bricht man sonst den Willen einer so störrischen Frau wie Katharina?

Die Komödie ist aus Frauen-Sicht nicht unumstritten, denn zum Schluss hält Katharina, die letzten Endes von ihrem Mann gezähmt wurde, eine lange pathetische Rede über die Ehefrau, die ihrem Mann gehorchen soll. Die American Drama Group mildert dieses Statement ab: In der Schlussszene, wenn der Trunkenbold Schlafer aus seinem Rausch erwacht und er noch mit den Eindrücken seines Traumes kämpft, holt die Wirtin derweil seine Ehefrau, eine stämmige Furie mit zotteligen Haaren, die ihn kurz anschnauzt, ihn über die Schulter wirft und mit ihm unter lautem Applaus abtritt.

Der Abend gestaltete sich in seiner Inszenierungsweise klassisch, auch wenn die Rahmenhandlung von der American Drama Group verändert wurde. Durch viele schöne kleine Ideen entstanden witzige Bühnenbilder und die Leistung der Darsteller konnte sich sehen lassen. Trotz komplizierten Shakespeare-Stils waren die Texte im Übrigen gut zu verstehen, sodass nicht jedes Textdetail unbedingt nachvollzogen werden musste, um der Handlung zu folgen. Der lang anhaltende Applaus bestätigte den sehr guten Eindruck des Abends – wenn die Truppe das nächste Mal in Bonn ist, lohnt sich ein Besuch sicherlich!

Rebecca Telöken

Alle Tourdaten und Stücke findet ihr auf der Homepage der ADG: http://www.adg-europe.com/

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