(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Am 24. November feiert die Inszenierung der Regisseurin Luise Voigt UNTERHALTUNGEN DEUTSCHER AUSGEWANDERTEN, basierend auf dem gleichnamigen Novellensammlung von Johann Wolfgang von Goethe, Premiere auf der Bonner Werkstattbühne.
Die Handlung ist in Deutschland im Jahr 1793 angesiedelt. Es ist die Zeit der Französischen Revolution und eine deutsche Adelsfamilie flieht vor deren Wirren auf ihr rechtsrheinisches Landgut. Die Familie wird von der Baroness von C. (Birte Schrein) angeführt. Sie ist das Herzstück der Familie, die außerdem noch aus ihren Kindern Friedrich (Manuel Zschunke) und Luise (Mareike Hein), dem Vetter Karl (Daniel Breitfelder) und einem befreundeten Geistlichen (Bernd Braun) besteht. Die Inszenierung ist inhaltlich ähnlich wie eine Novellensammlung aufgebaut, das heißt, es gibt keine durchgehende Handlung, sondern es gleicht viel mehr einer Aneinanderreihung verschiedener Geschichten mit einer gemeinsamen Rahmenhandlung. Zu Beginn des Stücks stellen sich die einzelnen Charaktere gegenseitig vor. Noch befindet man sich nicht in der eigentlichen Geschichte, sondern eher in einer Art Einführung. Diese umfasst neben der Präsentation auch eine genaue Anleitung für die Schauspieler, wie sie sich zu bewegen und zu verhalten haben. Beispielsweise wird festgelegt, dass der Schauspieler aufrecht und mit herausgestreckter Brust zu stehen

habe. Er solle sich niemals vom Publikum abwenden, außer es stellt sich als unabdingbar heraus, „denn der Schauspieler muss immer bedenken, daß er um des Publikums Willen da ist.“ Erst nach dieser Einführung startet das Stück mit der eigentlichen Handlung. Die daraufhin erzählten Fragmente thematisieren die Französische Revolution, deren flammender Anhänger Karl ist, mit all ihren Auswirkungen auch auf diese deutsche Adelsfamilie, die mit ansehen muss, wie der Hof der Tante in Flammen aufgeht. Goethe, selbst ein vehementer Gegner der Revolution, sah für seine Figuren den Ausweg aus der angespannten familiären Streitsituation darin, dass sie sich nur noch über Unpolitisches, Unverfängliches unterhalten, indem sie sich gegenseitig Geschichten aus dem Alltag erzählen, um sich an die Freuden des Lebens zu erinnern, während im Hintergrund der Lärm des Krieges weiterhin zu vernehmen ist.
Das Stück ist äußerst textlastig und wirkt wie ein endloser Monolog, mal chorisch gesprochen, mal in der dritten Person, mal spricht eine Figur den Text einer anderen. Trotz dieser Abwechslung hat der Text seine Längen, viele Passagen wirken inhaltlich doppelt und dreifach zu viel erzählt. Auch erschweren sowohl diese verschiedenen Erzählweisen als auch die manchmal etwas undurchsichtige Aufteilung der Fragmente das Verständnis erheblich und man kann sich vielfach nicht auf das Geschehen konzentrieren, da man noch dabei ist herauszufinden, wo der Zusammenhang der Fragmente besteht und wer eigentlich gerade erzählt.

Das Bühnenbild und die Kostüme sind sehr schlicht in dunklen Tönen gehalten, was zusammen mit der spärlichen Beleuchtung dazu führt, dass eine gewisse Eintönigkeit der Konzentration ebenfalls wenig förderlich ist. Im Gegensatz hierzu ist die Aufteilung der Bühne durch eine Wasserbahn, die in Kombination mit dem Licht an der hinteren Wand die sehr schöne Illusion eines Flusses – vermutlich der Rhein – entstehen lässt, sehr gelungen. In diesen tropft immer wieder etwas Wasser und durch die geschickte Anbringung eines Mikrofons entsteht das permanente Geräusch von Schüssen. Dieses an sich sehr passende Element ist leider etwas zu laut. Auch wenn dies so beabsichtigt ist, schränkt es doch einmal wieder das Verfolgend es Geschehens, wenn auch dies Mal akustisch, ein.
Die letzte Szene, in der Bernd Braun alleine vor sich hinbrabbelnd auf der Bühne steht, wirkt vollkommen unverständlich und fehl am Platz. Sie nimmt die ganze restliche Spannung und hinterlässt ein Gefühl von völliger Überforderung des Zuschauers, von Kapitulation und Nicht-Verstehen. Es gibt viele Aspekte, die für den Außenstehenden unerschlossen bleiben, was sehr schade ist. Schauspielerisch ist dieser Abend nämlich sicherlich nicht schlecht und es ist schade, dass die Leistung der Schauspieler vom Zuschauer nicht gewürdigt werden kann. Auch die Leistung der Technik, die nahezu perfekt abgestimmt ist, und bei der es tolle Spielereien und Kleinigkeiten zu entdecken gibt, ändert nichts am Gesamteindruck.
Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Inszenierung vermutlich eher etwas für eingefleischte Goethe-Fans ist, die mit dieser Novellensammlung vertraut sind.
Der Goethe-Abend von Luise Voigt hat zwei völlig unterschiedliche Seiten: Das ganze Team auf und hinter der Bühne präsentiert eine beachtliche Leistung, um diese Vorstellung zu tragen, um die Spannung zu halten und die punktuelle Genauigkeit der Kombination aus Text und Licht/Ton hinzubekommen. Jedoch bleiben viele Dinge unverstanden und wirken dadurch hochnäsig dem Publikum gegenüber, das die Novellensammlung nicht kennt. Anstatt Goethe zu erschließen, hebt diese Inszenierung ihn auf ein intellektuelles Podest, das manchen Betrachter unerschlossen bleibt. So fließt der Abend zäh am Zuschauer vorbei, ohne echte Spuren zu hinterlassen, ohne festzuhalten und ohne eine spannende Geschichte zu erzählen.
Katharina Wigger