Never Grow up – Das Leben wie ein Kind genießen

(Vorschaubild (c) Thilo Beu)

Der zweite Jugendclub, der sich selbst als „Bimbelbambelclub“ bezeichnet, feierte am 24. Juni in der Werkstattbühne die Premiere von „GermanANGST oder warum man sich im Wald nicht fürchten muss“.Unter Alice Buddebergs und Daniel Breitfelders Regie entstand ein lautes, buntes und skurriles Theaterstück.

Zu Beginn sehen sich die Nachwuchsdarsteller des Bimbelbambelclubs einer ausweglosen Situation ausgesetzt: Wie in einem Horrorfilm wachen sie in einem dunklen Raum auf, aus dem sie nicht fliehen können. Der Eindruck verschärft sich als Wolfgang Rüters sonore Stimme aus dem Off erklingt und ankündigt, ein Spiel mit den Gefangenen spielen zu wollen. Das Thema Angst erschließt sich somit bereits nach wenigen Minuten. Doch bei der Angst vor dem Eingesperrtsein bleibt es nicht.

Jede der Darsteller ist eine bekannte historische Persönlichkeit, wie Bismarck oder Marylin Monroe oder ein Charakter aus Film oder Literatur – etwa Nosferatu oder Max aus dem Kinderbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“. Die Kostüme deuten bereits die Essenz des Stückes an: alle tragen ein Tutu und Gummistiefel, während ihnen das eigentlich Kostüm ihrer Rolle bloß über den Oberkörper übergestülpt wurde. Nosferatu oder der „bösen Wolf“ sind dazu prädestiniert den anderen Figuren, wie Hänsel und Gretel oder Arielle das Fürchten zu lehren. Auch Frauke Petry als Expertin für Angst vor Neuem und Veränderung, also für die „german Angst“, legt einen eindrucksvollen Auftritt hin. Die kindlich-verspielte Kleidung, die Kindervideos auf der Leinwand, Supertramps „The Logical Song“ – all das deutet die im Titel versprochene Antwort auf die Frage: warum man sich im Wald nicht fürchten muss, an. Das innere Kind kennt keine Angst. Es ist nicht rational, logisch und sachlich. Für ein Kind ist das Leben noch ein Wunder.

Die teilweise selbstgeschriebenen Texte, die Musik, die bunten Kostüme und die Verwendung von Kamera und Leinwand sorgen dafür, dass fast jeder Sinn des Zuschauers bedient wird. Mal ist der Einsatz von Kamera und Leinwand eine eindrucksvolle Untermalung der Szene, etwa beim Charlotte Heßes Auftritt als Marylin Monroe. An andere Stelle wirkt die Leinwandallerdings nicht mehr. So werden in unregelmäßigen Abständen Jahreszeiten eingeblendet, dessen direkter Bezug auf das Geschehen auf der Bühne unklar bleibt. Was dadurch verschuldet ist, dass die erläuternden Untertitel kaum zu lesen sind.

(c) Thilo Beu
(c) Thilo Beu

Die Auseinandersetzung mit der Angst ist kurzweilig und so verschieden wie die scheinbar achtlos zusammengesperrten Figuren. Sie reicht von Angst vor dem Verlassenwerden bis zur Angst vor dem Leben selbst. Die starken Texte zeigen sich vor allem zum Ende des Stückes hin, als die Figuren eine Art Seelenstriptease betreiben und sich aus den ihnen übergestülpten Rollen befreien.

Der letzten  und einigen choreographischen Szenen hätte es wahrscheinlich gut getan, hätte es etwas mehr Probenzeit gegeben, da hier an einigen Stellen noch der letzte Schliff zu fehlen schien.

Es bleibt jedoch auch so ein komisches wie beeindruckendes Bild, wenn alle Figuren hingebungsvoll um eine dämonisch blickende Frauke Petry tanzen und dann plötzlich zu Boden sinken.

GermanANGST ist ein Stück, dass durch intensive und durchdachte Texte, Spielfreude und optischen Mitteln zu unterhalten und – im positiven Sinne – zu irritieren, versteht. Der Zuschauer kann sich hierbei nicht einfach entspannt zurücklehnen. Wer das ehrgeizige Ziel hat, alle Anspielungen und Bedeutungen zu entschlüsseln, der muss bereit sein zu scheitern.

Der fast 90 minütige Abend ist ein Sammelsurium von Ideen, Erfahrungen und Kunst. Es macht Spaß zuzugucken und sich im Anschluss über das Gesehene auszutauschen. Ein Besuch lohnt sich.

Lucas Krah

 

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