(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
„Hört doch endlich auf, Kaufladen zu spielen!“
Das junge Ensemble des diesjährigen Jugendclubs des Bonner Theaters zeigt sein neues Stück „Der Kunde ist König Ubu“ erstmalig am 24. Mai 2016 in der Schauspielhalle Beuel und stellt mit einer zum Nachdenken anregenden Vorstellung unser eigenes Konsumverhalten unter der Herrschaft des Kapitalismus zur Schau.
Das Stück basiert auf dem Drama „König Ubu“ (frz. Titel: Ubu roi) des französischen Schriftstellers Alfred Jarry. Es handelt von einem machtbesessenen, despotischen Mann, Ubu, welcher durch einige Staatsstreiche und politisches Kalkül ihm eigentlich gar nicht zustehende Macht erhält. Er wird im Laufe des Stückes von diversen Menschen, welchen er Unrecht getan hat, gestürzt und kann sich trotzdem nach einer vernichtenden Schlacht mit seiner Frau ins Exil flüchten.
Die Geschichte König Ubus dient als Gerüst für den Abend und bildet den Rahmen für eine moderne Interpretation des Gedankens der Marktwirtschaft und des Kapitalismus der Jugendlichen anhand eines Selbstexperiments.
Im Fokus steht die Kulisse des Kaufhauses „KiKu“ (abgeleitet von „Der Kunde ist König“), ein eigentlich einfacher Raum mit durch durchsichtige Planen angedeuteten Regalen, in welchen die Darsteller eingesperrt zu sein scheinen. Jeder von Ihnen besitzt zudem einen Einkaufswagen und ist in eine Art neonfarbenen Sportanzug gehüllt.

Durch den Adler des Kapitalismus, das Maskottchen des Kaufhauses, wird der Zuschauer begrüßt und bei dieser ersten Gelegenheit auch sofort dazu aufgefordert, so viel zu konsumieren wie möglich. Die übrigen Darsteller, welche bis dahin noch im Zuschauerraum saßen, betreten im Anschluss auch die Bühne und stellen ihre Sichtweise vor: „Wenn ich König wäre, würde ich so viel essen wie ich kann.“ „Wenn ich die Macht hätte, würde ich so viel essen wie ich kann.“ Auffällig ist dabei die unterschiedliche Ausdrucksweise der Personen, trotz derer aber im Prinzip jeder ein gleichwertiges Glied der Vorstellung sein kann. Jeder Darsteller betont eine andere Facette von Ubus Seelenleben und steht mit dieser Perspektive stellvertretend für eine bestimmte Mitarbeiterposition des Kaufhauses.
Die Grundstimmung im Kaufhaus verändert sich im Laufe der Zeit drastisch und wandelt sich von der ersten, alltäglichen und fröhlichen „Kaufeuphorie“ bis hin zum Zusammenbruch der Gesellschaft, wobei natürlich jeder Mitarbeiter (und somit jeder Blickwinkel auf Ubu) diesen Prozess anders wahrnimmt. Somit erhält das Kaufen einen kontinuierlich negativer werdenden Beigeschmack, von einer teilweise fast schon „albern“ gezeigten Darstellung unseres derzeitigen Kaufverhaltens bis hin zur verzweifelten Endstimmung des „Point of no return“, begleitet durch die Bitte, doch endlich aufzuwachen und vor dem Schaden, welcher durch unser Verhalten in der Welt erzeugt wurde, nicht länger die Augen zu verschließen.
Es lässt sich deutlich erkennen, dass sich die Jugendlichen mit diesem übergeordeten Thema konkret auseinandergesetzt haben. Die selbstgeschriebenen Texte sind Zeugnisse eines differenzierten Gedankenprozesses und beleuchten die Aspekte der einzelnen Individuen, teils mit der erschreckenden Klarheit der Realität der Mitarbeiter, teils mit dem eigentlich vergnüglich erscheinenden Alltag eines Filialleiters.

Für die lustigen Momente des Abends sorgen diverse Massenszenen, welche auch gleichzeitig die Funktion des Übergangs zwischen neuen Stimmungsebenen übernehmen und den Alltag der Konsumenten verdeutlichen sollen. Somit gerät der Zuschauer bei Bildern wie z.B. dem „Einkaufswagenblues“ oder dem „Zoo des Kapitalismus“ ins Schmunzeln.
Auch wenn die Umsetzung einiger Aspekte auf den ersten Blick etwas fragwürdig erscheint, sorgte der erste diesjährige Jugendclub unter der künstlerischen Leitung von Anaïs Durand-Mauptit und Silvana Mammone für einen abwechslungsreichen Abend. Auch gelingt es den Jugendlichen, den Zuschauern eine erschreckende Message zu vermitteln und sich das nächste Mal im Supermarkt vielleicht vor einen Spiegel zu stellen, denn „Der Kunde ist König Ubu“ und die Macht des Konsumenten ein despotischer Teufelskreis.
Kim Sterzel