La Fièvre du Coltan

(Vorschaubild (c) Nicholas Meisel )

Eine wahre Geschichte von Ausbeutung, Missbrauch und Hoffnung auf der Werkstatt Bühne Beuel

Musik. Klatschen. Gesang. Stimmungsvoll empfängt das Gastensemble seine Zuschauer. „Coltan-Fieber“ ist eine Zusammenarbeit des Theater im Bauturm in Köln, dem Theater Falinga aus Ouagadougou/ Burkina Faso, dem Tarmac des Auteurs aus Kinshasa/ DR Kongo und dem Goethe- Institut in Kigali/ Rwanda. Bei dieser ungewöhnlichen Inszenierung führte Jan-Christoph Gockel (bekannt als Regisseur von „Herz der Finsternis“) Regie. Die Schauspieler sind ebenso international aufgestellt: Ives Ndagano, dessen Geschichte exemplarisch vom Stück aufgenommen wurde, stammt aus Goma/ DR Kongo; Gianni La Rocca ist Belgier mit italienischen Vorfahren; Patrick Joseph kommt aus Haiti und Michael Pietsch ist Deutscher. Dieser Besetzung ist es ebenfalls geschuldet, dass das Stück größtenteils auf Französisch gespielt wurde. Zum Verständnis gab es allerdings Übertitel, wie es in der Oper üblich ist.

Première partie : « Souvenez-vous du Congo »

Die Schauspieler betreten die Bühne und stellen sich vor. Dabei entsteht zunächst Verwirrung, da die Schauspieler ihre Rollen vertauscht haben. So stellt sich Gianni (helle Haut, rote Haare) als „Schwarzer“ vor und Yves (Schwarzafrikaner) redet von seinen roten Haaren, wegen derer er immer Barbarossa genannt werde. Dieser Rollentausch führt zu viel Amüsement und lockert teilweise sehr traurige oder ernste Szenen auf, ohne dass dies in irgendeiner Weise lächerlich gemacht würde. Nach dieser kurzen Präsentation folgt ein Werbespot von Vodafone, in dem sich Tiere oder Dinge verwandeln, indem eine SIM Karte in sie reingesteckt wird, wie bei einem Handy. Als nächstes sind die Zuschauer gefragt. Um zu erörtern, aus was Smartphones bestehen und welche Macht die großen Elektronikkonzerne, wie Samsung oder Apple, haben, werden Einzelne aus dem Publikum nach ihrem Handy gefragt. Diese werden von „Wissenschaftlern“ eingesammelt und auf ihre Inhaltsstoffe hin analysiert.

Smartphones bestehen zwar zu einem Großteil aus Plastik, jedoch enthalten sie auch kleine Anteile an Eisen, Zink, Aluminium, Platin, Kupfer, Gold und Coltan bzw. Tantal. Diese Edelmetalle kommen auf der Erde nur sehr begrenzt vor und sind durch ihre Verwendung in elektronischen Geräten sehr begehrt und umkämpft. Auch wenn die Menge in einem Smartphone zum Beispiel verschwindend gering ist, summiert sich diese Masse bei 57 verkauften Handys pro Sekunde dramatisch auf.

Aus der Rückgabe der Handys wird beinahe ein Ritual, indem dem Besitzer eindringlich gesagt wird: „Souvenez- vous du Congo!“, „Erinnere dich an den Kongo!“. Denn Coltan wird vor allem im Kongo gefördert, wie das Kind in der Schule vom Entwicklungshelfer lernt. Das Kind, um das es geht, ist elf Jahre alt und wird von einer kleinen Holzpuppe verkörpert.

(c) Nicholas Meisel
(c) Nicholas Meisel

Coltan ist ein Tantalerz, das benötigt wird, um das Edelmetall Tantal zu gewinnen. Dieses findet seine Verwendung vor allem in Tantal- Elektrolytkondensatoren, die in den meisten elektronischen Geräten zum Einsatz kommen. Coltan ist relativ selten, so gibt es lediglich in Kanada, Brasilien, Australien und der Demokratischen Republik Kongo Vorkommen. Im Kongo lagern rund 80% der weltweiten Bestände dieses Erzes.

Nach der Schule geht der kleine Junge nach Hause und wird von einem Mitarbeiter einer NGO (Nichtregierungsorganisation) angesprochen. Dieser arbeitet laut eigener Aussage für „Fußball ohne Grenzen“ und würde dem Jungen einen Fußball schenken, wenn dieser mit ihm käme. Statt zu seinem Fußball wird der Junge jedoch in ein Militärcamp gebracht und in zwei Tagen Training zum Kindersoldaten ausgebildet. Schon kurz danach wird er als Kanonenfutter zwischen verfeindeten Milizen vorgeschickt, verletzt und muss seinen Gegner erschießen, um sein eigenes Leben retten zu können. Trotz seiner Rettung aus dem Militärcamp durch eine andere NGO, taumelt der kleine Junge von einem Trauma ins Nächste. Zurück in seinem Dorf meiden ihn Freunde und Verwandte aus Angst davor, was mit ihm passiert ist und was er getan hat. Daher ist der kleine Junge auf sich allein gestellt und heuert in einer Coltan-Miene an, um zu überleben. Hier verdient er unter grausamen Arbeitsbedingungen $6 im Monat.

Obwohl es im Kongo ein Gesetz gibt, das Kindersoldaten verbietet, ist dies grausamer Alltag, vor allem im Osten des Landes. Kinder werden verschleppt oder zwangsrekrutiert und zum Dienst an der Waffe ausgebildet. Mädchen werden sexuell missbraucht und mit den Kämpfern zwangsverheiratet. Nach Schätzungen der UN wurden seit dem Beginn des Krieges 1996 rund 30.000 Kinder rekrutiert.

Deuxième partie: « Le voyage du coltan autour le monde »

Nun arbeitet der kleine Junge in einer Miene und muss hart schuften. Gleichzeitig werden die Arbeitsschritte dargestellt, die es braucht, bis das Smartphone komplett ist. Es ist eine Reise um die Welt, bei der der kleine Junge immer wieder unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten muss und ausgebeutet wird. Von diesem Prozess hört der Zuschauer allerdings nur typische Geräusche und bekommt das Endprodukt gezeigt.

Vom Kongo, wo das Coltan abgebaut wird, kommt das Erz zumeist über illegale Wege in die Nachbarstaaten Rwanda und Uganda, von wo aus es zur Weiterverarbeitung nach Malaysia geschifft wird. Dort wird das Edelmetall Tantal aus dem Erz extrahiert und nach China geschickt. Hier werden in riesigen Fabriken Kondensatoren hergestellt, die in fast jedem elektronischen Gerät stecken. Diese werden ebenfalls in China zusammengeschraubt und danach in der ganzen Welt verkauft. Nur der kleinste Bruchteil des Gewinns fällt dabei auf den Kongo ab.

Seit dem Jahr 2000, als die erste Spielkonsole auf den Markt kam, herrscht den Schauspielern zufolge der „Playstation War“, bei dem die Kinder ihre Eltern ständig ob der neuesten elektronischen Geräte terrorisieren würden. Wie sehr Kinder ihre Eltern in der Hand haben, wird wieder sehr eindrücklich mit der Puppe dargestellt. Schließlich bekommt der Junge eine SIM Karte geschenkt und meint, damit werde er – wie im wieder eingespielten Werbespot von Vodafone – Superkräfte bekommen.

Der heutige gedankenlose Konsum elektronischer Geräte und das Verlangen nach den immer neuesten technischen Errungenschaften lässt auch die Nachfrage nach Coltan erheblich wachsen. Die Folge ist, dass sich dessen Wert steigert und im Kongo von verschiedenen Milizen noch mehr umkämpft wird. Seit dem Völkermord 1994 in Rwanda, der sich auch auf den Kongo ausweitete, finanzieren sich rivalisierende Milizen aus dem Handel mit Coltan. Auch die Armee des Landes, die hier durchgreifen könnte, ist so korrupt, dass sie selbst den Handel mit dem Coltan an sich reißen möchte und so erbitterte Kämpfe führt.

Troisième partie: « Qu’est-ce qu’il y a à l’intérieur des enfants congolaises? »

Die Geschichte des Kongo ist geprägt von Kolonialisierung und Ausbeutung. Im 19. Jahrhundert wurde der Kongo in Folge der Kongo Konferenz Belgien zu Teil. König Leopold II. benutzte diese Kolonie vor allem, um Elfenbein importieren zu können. So ist bereits damals von furchtbaren Gräueltaten berichtet. Dargestellt wird das, indem die Puppe einen Arm verliert. Aber auch einarmig geht die Ausbeutung während der industriellen Revolution weiter, da nun Kautschuk benötigt wird.

Auch diese Ressource gibt es im Kongo. Dem fällt ein weiterer Puppenarm zum Opfer. Heute sind es die Bodenschätze des Kongo, die in aller Welt benötigt werden. Ein Bein wird weggerissen. So bleibt also der Kongo nach all der Ausbeutung mit einem Bein zurück. Trotzdem gibt es Hoffnung, auf einem Bein weiter stehen zu können.

Dernière partie: « Le voyage en Europe »

Trotz der kleinen Hoffnung zieht es die Puppe weg aus dem Kongo nach Europa. Die Sahara muss durchquert werden, was äußerst lang und beschwerlich ist. Danach kommt das Mittelmeer, das fast zur tödlichen Falle wird, doch wieder ist es ein Helfer einer NGO, der die Puppe rettet – das Stück ist zu Ende.

Was bleibt, ist ein tief sitzendes Gefühl der Beklemmung bei allen Zuschauern. Das Stück führt dem Zuschauer sehr viele der größten Probleme unserer Zeit vor Augen. Das Flüchtlingsproblem wird genauso thematisiert, wie unser gedankenloser Umgang mit Ressourcen oder anhaltende (Bürger-)Kriege in der Welt. Auch das Missmanagement einiger Entwicklungsorganisationen oder der Einsatz von Kindersoldaten und der Raubbau an Mensch und Natur werden dargestellt.

Im anschließenden Publikumsgespräch mit der Projektleiterin Kerstin Ortmeier und zwei Schauspielern erfährt der Zuschauer außerdem, dass die exemplarisch erzählte Geschichte, die des Schauspielers Ives Ndagano ist. Das macht umso mehr betroffen, allerdings führt es auch zu großem Respekt gegenüber diesem Menschen, der heute selbst im Kongo mit ehemaligen Kindersoldaten arbeitet, um ihnen durch Schaupiel, Kunst und Tanz die Rückkehr in ein normales Leben zu erleichtern/ermöglichen. Das Projekt wurde unter sehr widrigen Umständen realisiert, da es zur Zeit der Premiere zu Krawallen im Kongo kam, die mit einer Entscheidung des Parlaments zusammen hingen. Es ist unbedingt zu empfehlen.

Mit „Coltan Fieber“ tourt das Ensemble derzeit durch NRW. Weitere Termine gibt es auf http://www.stimmenafrikas.de/

Katharina Wigger

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