Ein Funken schlägt in die Stadt

(Vorschaubild (c) Theater Bonn)

Angst ist im Gegensatz zu der auf etwas bestimmtes gerichteten Furcht ein ungerichtetes und unbestimmtes Gefühl. Um dieses Angstgefühl drehte sich die Podiumsdiskussion „Theater in Zeiten der Angst“ am 19. April in den Kammerspielen in Bad Godesberg.

Unter der Moderation von Stefan Bläske, seines Zeichens Dramaturg am Theater Bonn, waren vier Teilnehmer auf das Podium getreten, um über Angst und das Theater zu diskutieren: Der Regisseur der Nathan-Produktion, Volker Lösch; der Pfarrer einer evangelischen Kirche in der Kölner Südstadt, Hans Mörtter; der Soziologe und Islamkundelehrer Aziz Fooladvand sowie der Kriminaldirekt Martin Göbel. Die angekündigte SPD-Stadträtin Golalei Mamozei hatte leider absagen müssen. Somit waren aber immerhin die Institutionen Theater, Schule, Kirche sowie Polizei vertreten.

Es wurde gleich zu Beginn des Gesprächs persönlich, als die Anwesenden von den Ängsten berichteten, die sie in Bezug auf ihre Institutionen erleben. Lösch beschrieb dabei vor allem die Angst der Erfolglosigkeit bzw. der Angst als Künstler keine Wirkung zu erzielen. In eine ähnliche Richtung gingen die Erfahrungen die Hans Mörtter während seiner Arbeit in der Seelsorge machen konnte: Oft leiden seine Besucher unter der Frage, ob sie der Gesellschaft genügen oder, ob sie als Person gut genug seien.

(c) Thilo Beu
(c) Thilo Beu

Mit der Antwort des Lehrers Fooladvand bewegte sich das Gespräch thematisch zu seinem ersten Schwerpunkt, der in Anlehnung an „Nathan“ bereits zu erwarten war – der Flüchtlingskrise. Er selbst kam vor 25 Jahren als Flüchtling aus dem Iran, weil er dort als Menschenrechtsaktivist politisch verfolgt wurde. Inzwischen hätten seine Sorgen aber die unterschiedlichsten Facetten angenommen: Von allgemeinen Sorgen über die Menschenrechte, über die Angst seine Schüler im Unterricht nicht zu erreichen, bis hin zu der sehr persönlichen Angst nie wieder zu seiner Familie in den Iran zurückkehren zu können. Bläske griff die thematische Andeutung auf, verwies auf die im Ausland bekannte „German Angst“ , mit der im englischsprachigen Raum ausgedrückt werden soll, dass der Deutsche im allgemeinen schnell in oft unbegründete Angstzustände rutsche, und fragte, ob denn jede Angst auch eine berechtigte Angst sei.

Zusammen mit einer Anekdote stellte Mörtter die Kontakthypothese in den Raum: Meist wären die Ängste vor Flüchtlingen verschwunden, sobald mit Ihnen zusammengearbeitet würde. Aus seiner Arbeit als Polizist kann Martin Göbel von einem (Un-)Sicherheitsgefühl der Bürger berichten. Damit muss die Polizei tagtäglich umgehen – aber natürlich gegenüber jedem respektvoll und ohne Vorverurteilungen. Im Zusammenhang mit der begründeten oder unbegründeten Angst betonte Volker Lösch zum Schluss die Wichtigkeit des Austausches. Er selbst habe in Dresden versucht mit Anhängern von Pegida zu sprechen. Oft sitze jedoch das Unrechts- und Ohnmachtsgefühl so tief, dass sie sich von allen Debatten entfernt hätten. Ängste werden nicht mehr zur Mobilisierung für Veränderung verwendet, sondern nur auf einen Sündenbock abgeschoben.

Nach gut einer Stunde öffnet der Moderator das Gespräch für das Publikum und erntet direkt zu Beginn einen ersten Kritikpunkt: Man wolle doch noch etwas zur Rolle des Theaters hören, schließlich wäre der Titel „THEATER in Zeiten der Angst“. Lösch kontert, dass wenn „ein Funken in die Stadt schlägt“, dann hätte er mit seiner Arbeit bereits etwas erreicht.. Er wolle Konflikte in der Gesellschaft aufzeigen und die Leute anregen, sich auch nach dem Besuch noch mit einem Thema zu beschäftigen. Leider drehte sich die Diskussion zum Schluss mehr um die Frage: „Wie viel Effekt darf und braucht Theater?“ und weniger um die doch spannende Frage der gesellschaftlichen Auswirkungen einer guten Inszenierung. Trotz Wortmeldungen, die nicht immer ganz zum angegebenen Rahmen passten, profitierte die Diskussion von der Öffnung hin zum Publikum und konnte in den knapp zwei Stunden doch einige wichtige und interessante Themen anschneiden.

Tabea Herrmann

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