DDR-FILMKLASSIKER WIRD ZUM LIEDERABEND

DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA IM SCHAUSPIELHAUS BONN

Noch heute werden manche Augenpaare leuchten, wenn die den Titel des Liederabends hören: DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA nach Ulrich Plenzdorf, dem Autor von „Die neuen Leiden des jungen W“, einem beliebten Vergleichsroman zum goethischen Vorbild in der gymnasialen Oberstufe. DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA hat zwar durch Plenzdorf auch eine erweiterte Romanadaption erhalten, die aber erst nach dem Film erschien. Das 1973 in der DDR gedrehte und produzierte Liebesdrama hatte nicht nur eine große Fangemeinde, sondern sorgte auch noch für einen Skandal, als dessen Hauptdarsteller in den Westen flohen. Von den Problemen der damaligen Ostregierung spürt man im Film selbstverständlich nichts. Denn dieser Film sollte keine Kritik am Staat sein, sondern vor allem das teilweise einfache und beschwerliche Leben zweier Paare zeigen, die in unglücklichen Ehen leben und am Ende doch irgendwie noch glücklich werden – na ja fast.

Neben der herzzerreißenden Geschichte um die alleinerziehende Paula und den mit der Schaustellertochter Ines verheirateten Paul ist der Film gespickt mit z. T. von Plenzdorf selbst getexteten Liedern. Diese sowie ein breites Repertoire an aus wesentlich späteren Jahren komponierter deutscher Musik (darunter BAP mit Verdammt lang her) führen im Schauspiel Bonn dann auch durch den Abend. Dafür wurde eigens eine Band gecastet, die in ihren 70er-Jahre-Outfits an die originale Besetzung der Puhdys entfernt erinnern soll (Band: Philip Breidenbach, Mike Roelofs, Nico Stallmann).

Paula frisch verliebt auf dem Rummel, leider wird das Glück nicht lange halten.
Foto: (c) Thilo Beu.

Regisseur Roland Riebeling hatte bereits mit ISTANBUL einen äußerst erfolgreichen Liederabend inszeniert. Das Erfolgsrezept sollte nun bei dem Kultfilm erneut zum Einsatz kommen und die Vorlage bietet durchaus alles, um eine Musical-ähnliche Inszenierung zu legitimieren. Dennoch gibt es bei dieser Adaption ein paar Hindernisse. Zum einen war der Film nicht so musiklastig, wenn auch die Mono- und Dialoge nicht wesentlich gekürzt wurden, werden sie aber durch viele zusätzliche Songs gerade in den zwischenmenschlichen Szenen zwischen Paula (Julia Kathinka Philippi) und Paul (Paul Michael Stiehler) etwas penetrant eingesetzt. Das kratzt sicher für manchen hart an der Kitschgrenze, die aber der Film ebenfalls an der ein oder anderen Stelle gerne überschritt. Bei Ines (Imke Siebert), Pauls Ehefrau, hat Riebeling einen Rollentausch vorgenommen. Die Umsetzung vom liederlichen Schießbudenmädchen vom Rummel zu einer außergewöhnlich starken – und von der Vorlage abweichend nicht fremdgehenden – modernen, berufstätigen Frau ist ihm gelungen. Hier hat sie das Medizinstudium abgeschlossen, während Paul in den Seilen hängt. Sie ist es zudem, die letzten Endes die Reißleine zieht, sich von Paul scheiden lässt, sich als Ärztin jedoch weiterhin um die Neue ihres Ex kümmert, als diese zum dritten Mal schwanger wird, obwohl sie ihr davon tunlichst abgeraten hat, weil Paula körperlich eine dritte Geburt nicht überstehen kann. Paula als alleinerziehende kämpfende Frau von zwei kleinen Kindern von zwei verschiedenen Vätern ist heute wie damals ein aktuelles Thema. Auch Paula trennt sich vom Vater ihres zweiten Kindes, Colly (Riccardo Ferreira), doch wirkt sie in ihrem Streben nach Liebe naiver und zugleich selbstsüchtiger, was schließlich auch zur Katastrophe führt – dem Tod ihres Sohnes. Philippi verkörpert die sehnsüchtige Paula als träumende Frau, die weiß was sie will. Sie kommt dabei der Vorlage von Angelica Domröse sehr nahe.
Stiehler als gefühlsvoller Ehemann auf der Suche nach der wahren Liebe, die er für seine eigene Familie nur schwer aufbringen kann, überzeugt vor allem in den intimen Szenen mit Philippi.

Der einzige, der irgendwie noch unglücklicher in diesen ganzen Wirren ist, ist Herr Saft (Janko Kahle). Ein wohlhabender Firmeninhaber, der in Paula unsterblich verliebt ist. Diese hat aber an dem bereits im fortgeschrittenen Alter stehenden Mann kein Interesse, außer, dass er ihr ein sicheres Zuhause für die Kinder bieten könnte. Janko Kahle spielt zudem Pauls Schwiegervater, der mit Paul, der nichts auf die Reihe bekommt, nicht besonders glücklich ist. Diese kontroverse Figur verleiht Janko einiges an Witz, wobei auch hier der raue Budenbesitzer-Ton weitestgehend verschwunden ist.

Für Kenner der Vorlage war es sicher vergnüglich, Reminiszenzen aus dem Film in der Inszenierung wiederzuentdecken, nicht-Kenner konnten aber zumindest des Witz der Szenen erahnen. Allerdings ist die Inszenierung wesentlich weniger rau und das wiegt hier schwer: irgendwie sind alle Charaktere etwas zu nett. So versucht Colly sich bspw. noch bei Paula zu entschuldigen, als sie ihn mit einer anderen im Bett erwischt, im Film juckt ihn es nicht. Der im Film doch etwas schleimige Herr Saft, ist bei Reibling einfach sehr schüchtern, daher ist er eher bemitleidenswert als abstoßend und auch die Ehestreitigkeiten zwischen Paul und Ines sind harmloser Natur. Es fehlt etwas an Biss, dafür wurde mehr auf Gefühl gesetzt.
Hat Reibling den Kultfilm also einen neuen Anstrich verpassen können?

Endlich zusammen nach vielen Schwierigkeiten: Paul und Paula. Foto: (c) Thilo Beu.

Die Rezensentin muss an dieser Stelle passen. Zwar hält sich Riebeling an die Vorlage, überarbeitet zwar veraltete Rollenbilder, aber zugleich nimmt er dem Original jede Härte, die der Film in Ansätzen zeigt und macht die Erzählung auf diese Weise etwas zu seicht. Zumindest für mich. Denn leider konnten die durchaus (theoretisch) zu Herzen gehenden dramatischen Wendungen keine tiefer gehende emotionalere Bindung zum Spiel aufbauen. Wer jetzt sagt, dass dies auch nicht sein müsse, dem würde ich widersprechen, denn darum geht es letzten Endes in dieser Geschichte: Um die Anteilnahme eines Paares, dass nur eine kurze Zeit des Glückes erfährt und bis dahin einige Rückschläge erleiden musste.

Die musikalische Umsetzung ist ohne Zweifel gelungen, auch wenn ich viele Lieder nicht kannte, was allerdings meinem persönlichen Musikgeschmack geschuldet ist. Hier war ich nicht das Zielpublikum. Nostalgiker deutscher Musik von BAP, über Rio Reiser bis zu Gundermann und Konsorten sind sicherlich auf ihre Kosten gekommen.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass das anwesende Publikum (wohlgemerkt, kein Premierenpublikum) am Ende laut und lange Applaus gespendet hat. So erlebt jeder den Abend auf seine Weise.

Zum Schluss noch der Hinweis, dass die Rollen von den Kindern Ulrike, Eddy und Micha sowie der Steffiwechselnd besetzt sind. Ihre Termine finden sich auf der Webseite des Theater Bonns.

Rebecca Telöken