Verbunden in eine andere Welt

Gespannt starre ich auf den Bildschirm meines Mobiltelefons. Jede Minute wird es soweit sein: Ein Aufleuchten, ein kurzes Brummen. Nachdem ich hektisch auf dem Bildschirm rumgewischt haben werde, wird sich dann eine mir unbekannte Stimme melden, um mir etwas Literatur vorzulesen.

Ungefähr so stelle ich mir es vor, wenn man sich einen Termin bei einer/m Schauspieler*in des Theater Bonns für das Literaturtelefon bucht, kostenlos, für 20 Minuten. Und tatsächlich gibt das Telefon auf die Minute einen schnurrenden Ton von sich. Ich hebe ab und eine gut gelaunte Sandrine Zenner meldet sich am anderen Ende der Leitung. Es ist schon ein seltsames Gefühl plötzlich mit jemandem zu telefonieren, den man sonst aus der Ferne auf der Bühne gesehen hat oder in anderen Fällen vielleicht auch gar nicht kennt. Andererseits müssen wir doch ständig mit Menschen sprechen, die wir nicht persönlich kennen. Also stellen wir uns kurz gegenseitig vor, bevor Sandrine mir erzählt, was sie für mich vorbereitet hat. Damit es für weitere Anrufer auch eine Überraschung bleibt, verrate ich nicht den Titel des Werkes, aus dem sie mir vorgelesen hat. Aber es war eine kluge Wahl: witzig, nicht zu lang, akustisch gut zu verstehen, dennoch raffiniert geschrieben und gefühlvoll vorgetragen. Die Verbindung zu der anderen Welt, der Welt des literarischen Werkes, war gelungen.

Eine ganz private Lesung, wenn sie natürlich auch kürzer ist als die Üblichen, ist doch etwas Besonderes; vor allem, wenn man noch ein paar Minütchen Zeit findet, sich über das gehörte auszutauschen. Die Zeit verflog natürlich trotzdem viel zu schnell, doch noch lange hielt ein bunter Mischmasch der Gefühle an: von Aufregung, zur Verlegenheit, zur Vorfreude, zur Neugier, zur Entspannung bis zur Begeisterung am Schluss.

Natürlich wäre es noch schöner, wenn man die Vorlesenden sehen könnte. Aber dieses Erlebnis war vielleicht gerade deswegen so schön, weil man den anderen nicht sah, sich nicht von Äußerlichkeiten ablenken lies. Einfach nur die Stimme und das Wort in sich aufnehmen, ein wenig lachen, ein wenig nachdenken, ein wenig träumen. Mir hat dieser kurze Anruf den Tag versüßt. Durch die feste Zeitvorgabe kommt man auch nicht ins Schwafeln, man ist konzentriert bzw. fokussiert sich auf das Wesentliche. Ich empfehle jedem, der in seinem Alltag eine neue Nuance reinbringen möchte, das Literaturtelefon. Oder falls man anderen eine Freude machen möchte, können die Termine auch für Freunde und Familir gebucht werden, als Überraschung.

Also wie und für wann kann man das Literaturtelefon noch einmal buchen?

„Von Montag bis Donnerstag, jeweils von 16 bis 18 Uhr, sowie freitags von 20 bis 22 Uhr, ist das Literaturtelefon aktiv. […] Buchen Sie einfach Ihren kostenlosen, zwanzigminütigen Time Slot online oder telefonisch über die Theaterkasse.“

Theater Bonn

Buchen könnt ihr unter: https://www.theater-bonn.de/de/literaturtelefon/

Rebecca Telöken

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