Vorschaubild (C) Thilo Beu
Am 11. September feierte das von Max Schaufuß inszenierte Stück „Nicht Fisch nicht Fleisch“ von Franz Xaver Kroetz seine Premiere auf der Werkstatt-Bühne. Dabei war die Atmosphäre vor Beginn der Vorstellung recht angespannt, ob nun aus Vorfreude auf die Vorstellung oder eher aus Vorsicht betreffend der allgegenwärtigen Corona-Maßnahmen bleibt dahingestellt. Zumindest scheinen sich alle ein bisschen vorsichtiger und leiser zu bewegen als sonst. Zu diesen Maßnahmen gehörte, dass nur jede zweite Reihe bestuhlt war und innerhalb der Reihen nur in Gruppen aus je zwei oder drei Stühlen gesessen werden durfte. Man kam sich schon ein bisschen einsam vor. Trotzdem gab es kleinere Probleme bei der Platzsuche, aber glücklicherweise fanden die sehr freundlichen Mitarbeiterinnen eine Lösung, mit der alle Beteiligten zufrieden waren.
Auch auf der Bühne fiel durch das gesamte Stück hinweg auf, dass die Schauspieler immer den Sicherheitsabstand zueinander einhielten. Erstaunlicherweise beeinträchtigte dies das Schauspiel in keinerlei Hinsicht. Dafür auf jeden Fall schon einmal ein großes Lob! Auch abgesehen davon, war das Stück durchaus amüsant und bestach, bis auf wenige Längen, durch die humorvollen und charakteristischen Dialoge.
Kroetz‘ Stück behandelt viele Phänomene, die auch heute noch aktuell sind. Das 1981 uraufgeführte Stück handelt von Rationalisierung von Arbeit durch Technik, Ab- und Aufwertungen von Rollenbildern und Verlust von Liebe und Freundschaft bis hin zur Vereinzelung.
Es geht um zwei befreundete Ehepaare: die Eheleute Zwiebel (Lena Geyer und Sören Wunderlich) und die Eheleute Schuster (Annika Schilling und Holger Kraft). Während Zwiebels eine klassische Ehe führen, zwei Kinder haben und Helga ihre Erfüllung in der Mutterrolle sieht, ist Emmi Schuster deutlich emanzipierter und befindet sich gerade dabei, sich beruflich weiterzuentwickeln und eine Filiale eines Lebensmittelmarktes zu übernehmen. Ihr Mann unterstützt sie zunächst darin und gibt sich weltoffen und emanzipiert. Gleichzeitig macht er sich über seinen Freund Hermann Zwiebel lustig, der die Gewerkschaft stark unterstützt.
Im Laufe der Zeit ändern sich diese eingefahrenen Rollenbilder stark, was vor allem durch Dialoge in verschiedenen Konstellationen deutlich gemacht wird. Am Ende hat man das Gefühl, dass sich die Positionen um 180 Grad gedreht haben: War am Anfang Hermann Schuster noch sehr illusorisch, was die Ziele der Gewerkschaft angeht, so ist er es am Schluss, der Edgar mangelnde Anpassungsbereitschaft beim technischen Wandel vorwirft. Bei den Frauen ist es ähnlich, wenn auch Emmi ihren Überzeugungen am ehesten treu bleibt. Zwar wird sie am Ende schwanger, dies aber nur, weil Edgar ihre Anti-Baby Pille ausgetauscht hat. Helga – mittlerweile schwanger mit dem dritten Kind – geht sogar soweit, dass Kind abzutreiben, um auch etwas zum wirtschaftlichen Erhalt der Familie beizutragen. Es ist erstaunlich, wie sehr man als Zuschauer zunächst mit der einen Figur sympathisiert und im Laufe des Stücks mit (fast) jeder einmal. Doch nicht nur Sympathie bestimmt das Verhältnis, man findet sich auch in den Figuren wieder, jeder von uns scheint ein bisschen von wahrscheinlich jeder der Figuren in sich selbst zu tragen.
Katharina Wigger