Ein (verkürzter) Überblick über das Drama WCCB

(Vorschaubild: (c) Thilo Beu)

Mit „Bonnopoly“ thematisiert das Theater Bonn in dieser Spielzeit den Skandal rund um den Bau und die Planung des WCCBs. Zur Premiere haben wir versucht, einen Überblick zu ermöglichen, worum es beim Thema WCCB eigentlich geht. Wer sich tiefer mit dem Fall beschäftigen möchte, dem sei die mit dem Wächter-Preis der Tagespresse ausgezeichnete Serie „Die Millionenfalle“ des General-Anzeigers ans Herz gelegt.

Anfang 2000er Die Stadt Bonn entwickelt die Idee und erste Pläne für ein Konferenzzentrum im ehemaligen Bundesviertel
2004/2005 Verschiedene Konsortien und Unternehmen bewerben sich auf die WCCB-Ausschreibung – 4 Jahre später erzählen sie gegenüber dem General-Anzeiger (GA) der Projektberater Michael Thielbeer habe 250.000 Euro und eine Festanstellung gefordert. Vorschau September 2009: Rechnungen an Thielbeer über 250.000 Euro tauchen auf und er wird schnell Geschäftsführer im ausgewählten Unternehmen
Ende 2005 Projektberater Thielbeer zeigt auf die SMI Hyundai Corporation als auszuwählenden Investor. Die Unternehmer der SMI Corporation deuten vage auf den Autokonzern Hyundai hin, obwohl durch einfache Onlinerecherchen nachzuweisen ist, dass die beiden Firmen nichts miteinander zu tun haben. Auch der Geschäftsführer Man-Ki Kim fällt privat schnell durch Mietrückstände auf. Noch bevor der Projektvertrag unterschrieben ist, wechselt Thielbeer – mit Kenntnis der Stadt – zu SMI.
9.3.2006 Die Stadt Bonn und SMI unterschreiben den Projektvertrag. SMI verpflichtet sich bis zum Baubeginn 40 Millionen Euro Eigenkapital vorzuweisen.
Juli 2006 Die UN Congress Centrum GmbH (UNCC) wird gegründet, ihr Geschäftsführer wird Kim. Damit verfügt dieser über rund 100 Millionen Euro Steuergelder. Eigenkapital hat er nur in Höhe von 10 Millionen Euro hinterlegt
3.11.2006 Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann lädt zum Spatenstich. Trotz anderslautender Verpflichtung hat Kim nicht genug Eigenkapital – die Sparkasse Köln/Bonn macht Druck. Kim leiht sich bei der Arazim Ltd. mit Sitz in Zypern 10 Millionen Euro, die mit 60% bezinst werden. Den Kredit besichert er mit (höchstens möglichen) 49% der UNCC-Anteile. Obwohl trotzdem noch Eigenkapital fehlt, startet die Stadt das Bauprojekt WCCB.
25.7.2007 Young Ho Hong (vorher mit Generalunternehmerfuntion von Kim) wird Geschäftsführer der WCCB Management GmbH. Er besitzt 92% der Anteile, die restlichen Anteile teilen sich die beiden anderen Geschäftsführer Matthias Schultze und der bereits bekannte Michael Thielbeer.
31.7.2007 Hong wird auch UNCC-Geschäftsführer – diese Personalunion muss jedoch bereits am 11.2.2008 wieder beendet werden.
August 2008 Zum Management des Kongresszentrums wird die WCCB GmbH gegründet
15.8.2007 Kim muss 94% der UNCC-Anteile verpfänden, wenn SMI nicht bis Mitte Februar 2008 den Kredit an Arazim zurückzahlt. Er wird zu spät zahlen, da seine Nachfolgersuche zu lange dauert: Honua Investment Management Inc. (Sitz in Honolulu) kauft für 32 Millionen die 94% Anteile an UNCC. Später kommt raus, dass davon Arazim 13 Millionen sowie SMI 9,4 Millionen erhielten und nur 9,6 Millionen in die UNCC flossen.
5.8.2009 Am Landgericht beginnt ein Verfahren zwischen Arazim und SMI/Honua: Nach dem Urteilt steht fest, die UNCC-Anteile (damit ein großer Teil des Bauprojektes) gehören Arazim, die nichts bauen, sondern ihren Kredit zurück wollen. Honua gehören keine Anteile, da Kim zum Zeitpunkt des Verkaufs gar nicht mehr im Besitz der Anteile war – schließlich hatte er diese als Sicherheit an Arazim verpfändet. Trotzdem steht Honua im Handelsregister für die UNCC eingetragen.
24.8. 2009 Durch ein Verwirrspiel rund um die Anzahl der Hotelzimmer wird der Bau 60 Millionen Euro teurer als gedacht. Wegen fehlender Zahlungen stoppt die Arbeit auf der Baustelle. Wie der GA berichtet, hat Kim für die UNCC einen 30-Millionen-Kredit bei der Sparkasse Köln/Bonn unterschrieben, mit Zustimmung der Honua als im Handelsregister eingetragener Eigentümer. Aufgrund einer Nebenabrede haftet die Stadt für diesen und alle anderen Kredite. Das Geld, was Honua für die UNCC verspricht, erreicht Bonn nie.
27.8.2009 Arazim verkündet die eigenen Anteile nur für eine Abfindung von 10,3 Millionen abzugeben. Die Diskussion wem wie viele Anteile gehören, bleibt verworren auch weil alle Anteile zusammengezählt 194% ergeben.
August 2009 Nach der Kommunalwahl wacht der Stadtrat auf und fängt an, Erklärungen für das bereits große Chaos zu verlangen.
September 2009 Die Stadt beauftragt die Beratungsfirma PwC zur Aufklärung. Währenddessen schieben sich die Beteiligten die Schuld gegenseitig zu. Über allem schwebt der drohende Baustopp durch Insolvenz. Drei Probleme kristallisieren sich in der Diskussion heraus: Die Rolle Thielbeers, die Baukostenexplosion und die Zukunft des Bauprojektes inklusive Eigentumsfrage.
16.9.2009 Beamte der LKA Ermittlungskommission „Gold“ führen Razzien bezüglich des WCCB durch.
24.9.2009 Die extra für das WCCB-Projekt gegründete SMI Hyundai Europe GmbH (Teil der Corporation) und Generalübernehmer mit allen Plänen des Bauprojektes meldet Insolvenz an. Young-Ho Hong kommt in Untersuchungshaft und legt ein Teil-Geständnis ab, in dem er unter anderem zugibt, Geld an Michael Thielbeer gezahlt zu haben. Das bisher errichtete Bauwerk gehört weiterhin dem Bauherr UNCC.
Oktober 2009 Die Stadt kündigt den Projektvertrag mit der SMI. Die Sparkasse löst 104 Millionen Euro an Krediten für die UNCC auf. Diese ist damit insolvent – durch von Kim eingeführte Kredithaftung ist dadurch auch die WCCB Management GmbH insolvent. Der Geschäftsführer Man-Ki Kim wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Die Sparkasse Köln/Bonn beantragt die Zwangsverwaltung der UNCC.
Ende 2009 Durch Rechenschaftsberichte des Städtischen Gebäudemanagements (SGB) wird deutlich, dass die Stadt schon früh von der Baukostenexplosion und dem Deal mit Arazim wusste. Die Stadt bürgte wohl für den Kredit mit dem Kim sein Eigenkapital nachwies.
26.2.2010 Christoph Penderck, Berater für Honua und SMI, muss wegen Betrugs in Untersuchungshaft.
31.3.2010 Räume des SGBs und Privatwohnungen beteiligter Mitarbeiter werden von der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Erschleichen von NRW-Fördermitteln durchsucht. Gleichzeitig laufen seit Dezember 2009 Ermittlungen wegen Untreue gegen Projektleiter Arno Hübner, Projektbeauftragte Eva-Maria Zwiebler und damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann.
23.4.2010 Der Bericht des Städtischen Rechnungsprüfungsamtes (RPA) enthüllt auf über 400 Seiten das teilweise schon 2008/2009 städtischen Beteiligten die Probleme des Projektes bekannt waren. Der Stadtrat wurde wohl bereits im Frühjahr 2007 getäuscht. Das SGB hatte bei der Prüfung der Finanzen des Bauprojektes auch Gewinnspiel-Rechnungen oder doppelte Rechnungen als in Ordnung gekennzeichnet. Die drei beteiligten Firmen SMI, UNCC und die WCCB GmbH scheinen quasi aus einer gemeinsamen Kasse zu bestehen.
1.9.2010 Die Stadt Bonn kauft die WCCB-Betreiber Gesellschaft und benennt diese in Bonn Conference Center Management GmbH (BCC) um. Der Kaufpreis beträgt nur 214.000 Euro, beinhaltet jedoch einen jährlichen Betriebskostenzuschuss von 2,5 Millionen Euro.
November 2010 Man-Ki Kim wird in den USA festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert nachdem sein Standort durch eine Hausverkaufs-Anzeige bekannt wurde. In den USA droht ihm eine Klage von Honua. In Berlin werden währenddessen 3,3 Millionen bei Hong beschlagnahmt. Kim erreicht Deutschland im Januar 2011.
Dezember 2010 Es wird bekannt, dass Verwaltung und Berater nicht an einem Strang ziehen und die Stadt wohl Teile der Beratungsberichte verschleiern will.
März 2011 In einem zweiten RPA-Bericht wird deutlich, dass PwC bereits Anfang Dezember 2009 einen warnenden Zwischenbericht fertig hatte, den Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch dem Stadtrat jedoch vorenthielt.
12.5.2011 Die Staatsanwaltschaft präsentiert nach 600 Ermittlungstagen eine erste Anklageschrift unter anderem gegen die frühere OB Bärbel Dieckmann und WCCB-Bauchef Young-Ho Hong von SMI. Weitere Anklagerunden auch gegen städtische Mitarbeiter folgen.
30.9.2011 Am Landgericht startet das erste Verfahren.
November 2011 In den USA fällt ein erstes Urteil rund um den WCCB-Fall: Den Honua-Fonds werden insgesamt 65,6 Millionen Dollar zugesprochen. Das Verfahren in Bonn läuft weiter.
Februar 2012 Das Verfahren gegen Bärbel Dieckmann wird wegen Mangel an Beweisen eingestellt.
29.5.2012 Das Verfahren gegen Michael Thielbeer wird gegen eine Geldauflage von 150.000 Euro eingestellt. Aus vier werden nur noch drei Angeklagte.
September 2012 Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen fünf weiter städtische Mitarbeiter darunter auch ehemaliger SGB-Chef Friedhelm Naujoks. Insgesamt geht es um 29 Tathandlungen zwischen Untreue und Betrug.
9.5.2013 Das Gericht fällt ein Urteil gegen den Hauptangeklagten Man-Ki Kim. Für zweifachen Betrug im besonders schweren Fall und falsche Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung muss Kimm sechseinhalb Jahre in Haft. Auch seine ehemaligen Rechtsberater Ha-Sung Chung und Wolfditrich Thilo müssen für 3 Jahre und 3 Monate sowie zweieinhalb Jahre ins Gefängnis.
Ende 2014 Der Bürgschaftsstreit zwischen der Sparkasse Köln/Bonn und der Stadt geht vors Landgericht. Im Vergleich zu den anderen zahlreichen Zivilprozessen rund um das WCCB geht es hierbei um das meiste Geld.
24.02.2015 Der Prozess gegen Stadtdirektor a.D. Arno Hübner und Eva-Maria Zwiebler startet.
Juni 2015 Gegen Zahlung von Geldauflagen wird das Verfahren gegen Hübner und Zwiebler eingestellt.

Am 7.Juni eröffnet das WCCB mit mehr als fünf Jahren Verspätung, es werden aber noch  bis März 2016 Arbeiten durchgeführt.

Ende Oktober/Anfang November 2016 Die Stadt übergibt den Kongressteil an die BonnCC als Betreiberin. Der Hotel-Rohbau wird an die BonnVisio-Gruppe, die in der Stadt auch das KamehaGrand betreibt verkauft und wird inzwischen als Bonn Marriott World Conference Hotel betrieben
2017 Eine Endrechnung der Kosten steht noch aus, auch wegen Unklarheit in der Bürgschaftsfrage, die inzwischen auch die EU-Kommission beschäftigt. Vor dem Bonner Landgericht läuft ein Schadensersatzprozess, der sich jedoch im Sommer dem Ende zuneigte.

Das WCCB wird heute für Kongresse und Tagungen genutzt und dafür sowohl von Firmen als auch z.B. von der UN gebucht. So findet im November 2017 die Weltklimakonferenz dort statt oder die Stadt nutzt die Gebäude für das Beethovenfest.

Übersicht Beteiligte:

  • Michael Thielbeer: Berater der Stadt Bonn, der bei der Auswahl einer geeigneten Investor-Firma für das WCCB helfen soll; hat sich dabei wohl bestechen lassen und wechselte schnell zu SMI
  • SMI Hyundai Corporation:  eher undurchsichtige Firmensammlung, die in das Projekt WCCB investierte – dabei wurde SMI Europe extra für dieses Projekt gegründet
  • Man-Ki Kim: Geschäftsführer der SMI Hyundai Corporation, präsentierte sich als bester Investor mit starker Zuneigung zur Stadt
  • Bärbel Dieckmann: ehemalige Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, beteiligt an der Auswahl des investierenden Unternehmens
  • Arazim Ltd.:  Sitz in Zypern; Geschäftsmodell Heuschrecke, bei dem in Projekte eingestiegen wird und ausgestiegen, sobald es kein Geld mehr zu holen gibt
  • UNCC: gegründete GmbH als Bauherr des WCCB; Geschäftsführer ist Man-Ki Kim
  • Young-Ho Hong: Architekt, „Partner“ von Kim; wird von Kim zu Generalunternehmer, welcher die Bauleistung erbringt, gemacht und wird später Geschäftsführer der WCCB Managment GmbH
  • WCCB Managment GmbH: Betreibergesellschaft für das Kongresszentrum, erst ist Kim Geschäftsführer, dann wechselt dieser Posten an Hong, Matthias Schultze und Michael Thielbeer
  • Honua Investment: Firma mit Sitz in Honolulu, die 94% Anteile an der UNCC kauft und später im Rechtsstreit mit Arazim diese Teile nicht zugesprochen bekommt
  • Städtisches Gebäudemanagment: Amt der Stadt, welches für die Bewirtschaftung und generell für städtische Gebäude zuständig ist – in diesem Fall für die Prüfung der Rechnungen
  • Arno Hübner: Projektleiter auf Seiten der Stadt Bonn
  • Eva-Maria Zwiebler: Beauftragte der Stadt, um das Projekt WCCB zu betreuen
  • Jürgen Nimptsch: Oberbürgermeister nach Dieckmann – fällt vor allem durch mangelnde/fehlende Kommunikation mit Rat und Öffentlichkeit auf
  • Friedhelm Naujoks: früherer Chef des SGB, welches für die Prüfung der Rechnungen zuständig gewesen wäre

Begriffserklärung:

  • Nebenabrede: Vereinbarung, die neben einem Vertrag getroffen wird
  • Betriebskostenzuschuss: Zuschuss der Stadt, der an Unternehmen/ zuschusswürdige Empfänger gezahlt wird auf Basis eines Vertrages

Tabea Herrmann

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