Cobblestones

Bonner Studentin zeigt ihr preisgekröntes Stück in der Bonner Brotfabrik

Es ist noch nicht lange her, da stand die BUSC (Bonn University Shakespeare Company) mit The Duchess of Malfi auf der Bühne der Bonner Brotfabrik. Von dem jakobinischen Stück des 17. Jhs. katapultiert sich die neuste Produktion der BUSC in die Gegenwart. For the Sake of the Cobblestone Street that Takes Me to You (ab jetzt verkürzt „Cobblestones“) wurde nicht nur von einer Bonner Studentin geschrieben, sondern erhielt in diesem Jahr auch den Preis für das Best Original Script bei dem Festival of European Anglophone Theatrical Studies. Die Rede ist von der Iranerin Sepideh Tafazzoli, die auch selbst Regie in Bonn führte.

Die Besonderheit des Stücks Cobblestones liegt u. a. in seiner Aufteilung. Obwohl die ZuschauerInnen mit einer Schauspieldarbietung rechnen, werden sie als erstes mit einer Tanzperformance von Vanessa Basilio De Luca konfrontiert. Neun Frauen und Männer, ganz in Schwarz, tanzen einen „Schal-Tanz“ (TänzerInnen: Farnaz Ghazemi, Cella Zavolan, Mareike Schneider, Ina Habermann, Alissa Kauz, Cindy Ohliger, Hanna Schäfer, Bruno Kaut und Lukas Schletter) . Die schwarzen Schals erinnern unverkennbar an das weltbewegende Ereignis der iranischen Frauenbewegung „Women, Life, Freedom“.

Symbol des Widerstands Foto: (c) Sara Lessmann

Gewalt, Stärke, Verzweiflung, Hoffnung – alle Facetten dieser Bewegung kommen in der 20-minütigen Performance zum Tragen. Nach diesem Vorspiel sind die Zuschauer eingestimmt für das der Tanzperformance folgende Schauspiel. Für jenes braucht es deutlich weniger Personal. Drei SchauspielerInnen. Mehr nicht. Wir befinden uns im Court (Gericht) und sehen drei Rednerbühnen nebeneinander stehen. Die Äußeren sind mit den Wörtern Safety und Liberty versehen. Große Worte, die den Boden einer Demokratie nähren sollen, die ihren BürgerInnen die Möglichkeit geben sollten, mit ihren Anliegen auf Gehör zu stoßen. Doch genau das erfährt die Aktivistin und Azar Vahidi (Muna Zubedi) nicht. Azar Vahidi ist eine Mischung aus Jina Mahsa Amini und der gerade mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Narges Mohammadi. Sie beobachtet immer wieder den Missbrauch der Polizeigewalt im Land, erfährt jedoch mit ihren Klagen trotz Beweisen vor Gericht keinerlei Unterstützung. Dabei sind die Zeichen eines sich nahenden Bürgerkrieges wie ein schwarzer Fleck an einer weißen Wand. Sie sei mit ihren Anliegen an der „falschen Stelle“, so die beiden Richter. Dabei sind Judge Safety (Nikesh Trecarten) und Judge Liberty (Beate Linnenkamp) sonst keine Verbündeten. Während Safety – stets mit einer kugelsicheren Weste ausgestattet – schlimme Konsequenzen für die innere Sicherheit befürchtet, wenn man an dem Fundament der Polizeieinheit rüttelt, will Liberty am liebsten gleich alle Macht der Bevölkerung geben und auf staatliche Repräsentanten gänzlich verzichten. Es ist also kaum verwunderlich, dass Azar Vahidi mit ihren Klagen ins Leere läuft. Doch statt den Kampf aufzugeben, dokumentiert und argumentiert sie immer weiter, selbst dann, als auch ihre eigene Familie Opfer der polizeilichen Willkür wird.

Ob Azar Vahidi (mitte) doch noch Erfolg vor den Richtern Saftey (links) und Liberty (rechts) haben wird? Foto: (c) Hannah Hoppe

Aufgrund der inhaltlichen Dichte ist Regisseurin Sepideh Tafazzoli gut damit beraten, auf actionreiche Szenen oder Musik, abgesehen von Geräuschen (Soundcollage: Thomas Pähler), zu verzichten. So fokussiert sich das Geschehen ganz auf den Text und verlangt den Zuschauern viel Aufmerksamkeit ab. Durch die private Tragödie der Protagonistin ist es aber kein reines Gerichtsdrama, sondern Taffazoli möchte auf diese Weise den Zuschauer auch emotional mitnehmen. Zubedi hat ihren spielerisch besten Moment, als sie im Gericht steht und erzählt, dass nun auch ihr Mann von der Polizei erschossen wurde. Dennoch springt die emotionale Verbundenheit zwischen Schauspielerin und ZuschauerInnen nicht ganz über, denn alle dramatischen Elemente werden nur erzählt und nicht erlebt.  

Die Kabbelei zwischen Trecarten und Linnenkamp bringen ein Kännchen Humor mit in das Stück, wobei dieser immer einen bitteren Nachgeschmack mit sich zieht.

Nach der Aufführung gab es die Möglichkeit eines Nachgesprächs, in dem einzelne Aspekte und weitere Fragen zum Stück beantwortet wurden. Ein insgesamt engagierter Abend. Man kann nur hoffen, dass die Frauenrechtsbewegung und das bürgerliche Engagement im Iran den Erfolg haben wird, den sich derzeit so viele Menschen wünschen.

Rebecca Telöken