Unter Leuten in Unterleuten

(Vorschaubild (c) Thilo Beu)

Ein Dorf + seine Bewohner = ein großes Chaos

Am 23.11.2017 feierte  „Unterleuten“ seine Premiere in den Kammerspielen. Das Stück basiert auf einem Roman von Juli Zeh und erzählt die Geschichte eines fiktiven alten DDR Dorfs namens Unterleuten mitten im Nirgendwo in Brandenburg. Regisseur Jan Neumann lässt dabei sehr gelungen die unterschiedlichsten Charaktere mit den unterschiedlichsten Ansichten in einem geschlossenen Kosmos aufeinander treffen.

THEATER BONN: UNTERLEUTEN
(c) Thilo Beu

Zunächst wäre da der reiche Rudolf Gombrowski (Max Moor). Er war früher Vorsitzender der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft in der DDR) und hat diese nach der Wende mehr schlecht als recht zu einer GmbH umgebaut. Er kommt aus einer Familie von Großgrundbesitzern und hat dementsprechend – zu gleichen Teilen – viel Einfluss und viele Feinde im Dorf. Sein Widersacher ist der von Bernd Braun gespielte Kron. Er war früher schon dabei, als man den Hof der Gombrowskis anzündete und wurde später Brigadeführer bei der LPG. Er gehörte zu den Verfechtern, während Gombrowski aus seiner Sicht der Inbegriff des Feinds war. Dies beruht aber mindestens auf Gegenseitigkeit. Weiterhin leben im Dorf noch der Bürgermeister und der arme Schlucker Schaller (beide gespielt von Wolfgang Rüter). Außerdem gibt es noch die Fraktion der Zugezogenen bestehend aus Linda Franzen (Laura Sundermann) samt Freund, die unfassbar berechnend vorgeht, um ihren Traum von einem richtigen Reiterhof zu erfüllen. Dazu gehören auch der Vogelschützer Gerhard Fließ (Matthias Breitenbach) mit seiner Frau Jule (ebenfalls Laura Sundermann), die gerade ein Kind bekommen haben. Um die Gesellschaft zu vervollständigen kommen noch die Frau (immer wieder von anderen gespielt) und die Geliebte von Gabrowski, die Tochter von Schaller, die von Kron (alle drei Lydia Stäubli) und deren Tochter Krönchen (Philipp Basener) dazu.

THEATER BONN: UNTERLEUTEN
(c) Thilo Beu

Diese an sich schon explosive und gereizte Zusammensetzung wird allerdings von zwei  Personen von Außerhalb endgültig aus dem Gleichgewicht gebracht. Konrad Meiler (Wilhelm Eilers), seines Zeichens stinkreicher Unternehmensberater aus München, kauft aus Langeweile ein großes Stück Land im Dorf. Interessant wird dies freilich erst dadurch, dass Herr Pilz (Philipp Basener) ein Projekt zur Errichtung von Windrädern vorstellt. Diese könnten sich auf verschiedenen Grundstücken befinden und würden dem Eigentümer eine schöne Stange Geld einbringen. Von nun an spaltet sich das Dorf in diejenigen, die die Windräder nicht wollen, weil sie ihre wertvolle Ruhe und Aussicht zerstören würden und in diejenigen, die die Windräder unbedingt wollen, aber nur auf ihrem eigenen Grundstück und nicht auf dem der Nachbarn.

Im Folgenden wird eine Konflikteskalation wie aus dem Lehrbuch dargestellt. Von einer Verhärtung der eigenen Positionen, über den Versuch das Ganze doch noch in Diskussionen lösen zu können und der Einsicht, dass es vielleicht doch nicht klappt. Friedrich Glasl hat in seinem Modell neun solcher aufeinander aufbauenden Konfliktstufen dargestellt, die nun von dem Dorf durchlaufen werden. Dabei versuchen vor allem Gabrowski und Kron Anhänger zu bekommen und sich durch mehr oder minder korrekte Machenschaften einen Vorteil zu verschaffen. Die Feindschaft und Rivalität der beiden geht so weit, dass sie sich irgendwann in der Öffentlichkeit prügeln. Glasl bezeichnet dieses Phänomen als Stufe fünf dem Gesichtsverlust. Es bleibt aber nicht bei der bloßen Prügelei. Im Verlauf der Eskalation wird auch die Enkelin von Kron also Krönchen entführt. Über diesem ganzen Chaos schwebt die ganze Zeit auch noch eine Geschichte von einem mysteriösen Todesfall zwanzig Jahre zuvor. Im Endeffekt geht es natürlich nicht mehr um diese Geschichte und auch nicht mehr um die Windräder. Vielmehr entladen sich die kompletten Spannungen des Sozialgefüges in Unterleuten.

THEATER BONN: UNTERLEUTEN
(c) Thilo Beu

Ein sehr gutes Stück, das trotz einer Dauer von drei Stunden nicht langweilig wird. Dies ist besonders der herausragenden Leistung der Schauspieler, die zu acht weit mehr als zwanzig Personen dargestellt haben, und dem Wortwitz zu verdanken. . Der Handlung tut es gut, dass das Bühnenbild recht schlicht im Stil einer Kneipe gehalten ist, sodass es nicht von der eigentlichen Handlung ablenken kann.

„Unterleuten“ kommt in vielen Facetten daher und ist stellenweise ganz grausam und ernst und im nächsten Moment verblüfft es durch seine Leichtigkeit und seinen Witz. Es wird eine geradezu unerträgliche Spannung erzeugt, die sich ebenso dramatisch entlädt.

Kurz gesagt ein toller Abend, mit einer Darbietung, die unbedingt zu empfehlen ist.

Katharina Wigger

 

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