(Vorschaubild (c) Thilo Beu)
Über ein tiefgründiges Lustspiel dreier Fantasien
Ein allgemeines, ausgelassenes Lachen, hallte am 6. Oktober immer wieder durch den Zuschauerraum der Werkstattbühne und zeigte gebührende Zustimmung des Publikums bei der Premiere „Die Präsidentinnen“, nach Werner Schwab in einer Inszenierung von Robert Gerloff.
Auf der Werkstattbühne Bonn beginnt die Inszenierung noch bevor man den Zuschauerraum oder gar das Foyer betreten hat. Vor dem Theater steht ein Mann und spielt ununterbrochen auf seiner Ziehharmonika, auf der anderen Seite sitzt ein Hund ruhig da, er wird kaum beachtet. Doch auch der Gang auf die Toilette entpuppt sich als abenteuerlich, steht da doch auf dem Waschbecken wie vergessen eine Gulaschdose – die später am Abend eine ganz eigene Rolle bekommen soll.

Als sich dann endlich die Türen öffnen, schauen die Zuschauer in eine heruntergekommene Wohnung, die stark an schlechte DDR Zeiten erinnert. In einem kleinen Röhrenfernseher wird die Papstwahl übertragen. Weitere religiöse Symbole fallen auf, besonders die riesige, kitschig aussehende Mutter Gottes, die wahnsinnig viel Platz des kleinen Zimmers in Anspruch nimmt und mit Kerzen geschmückt ist.
Seinen großen Erfolg, erlebte das zweite Drama von Schwab in den 90er Jahren. Die Komödie rund um die drei Figuren: Erna, Grete und Mariedl, die sich in einer Küche am Tage der Papstwahl treffen, spielt mit den inneren, teils schmutzigen Sehnsüchten, Vorlieben und Fantasien, der eigentlich frommen Hausfrauen.
Allen drei Frauen hat das Leben nicht besonders gut mitgespielt, alle kommen auf ihre Weise mit diesem Leben klar, wenn sie sich auch nicht unbedingt damit begnügen wollen. Obwohl die drei Damen die Wohnung nicht einmal verlassen, träumen sie sich nach unbefriedigenden Gesprächen über ihre missratenen Kinder (im Falle Ernas und Gretes) auf ein polnisches Dorffest, auf dem sie die Hauptrollen spielen. Gerade Erna und Grete erleben eine zweite Jugend in diesen Träumen, während Mariedl das Glück erfährt für ihre Arbeit, die in dem Putzen der Toiletten besteht, von allen Menschen, besonders dem Herrn Pfarrer, auf den sie große Stücke hält, gelobt und sogar beschenkt zu werden. Sie ist es allerdings auch, die die bittere Realität über ihre beiden Mitstreiterinnen bringen wird und deren Aufdeckung für sie unvorhersehbare Konsequenzen haben soll.
Der Abend lebt von den drei starken Charakteren der einzelnen Frauen, samt ihren Ausprägungen. Fromm sind sie wohl alle auf ihre Art: da gibt es Erna, eine sparsame, fast schon geizige, leicht in die Jahre gekommene Frau, die durch Birte Schrein nicht nur konservativ und kleinbürgerisch dargestellt wird, sondern durch ihre hysterischen Gefühlsausbrüche Platz für einen seelischen Abgrund mit ihren innersten Sehnsüchten erhält. Sie ist eine alleinstehende Frau, die sich von ihrem meistens betrunkenen, zwar sexuell interessierten, aber an Enkelkinder eher uninteressiertem Sohn, nichts mehr wünscht als Letzteres und zudem ständig das Gefühl hat, von ihm enttäuscht zu werden. In ihren Illusionen ist sie es, die den Papst datet, der bei ihr in der Gestalt eines Metzgers auftritt und dieser an ihr ein ernst zu nehmendes, gesittetes Interesse der alten Schule zeigt.

Ihr gegenüber steht Grete, ebenfalls mit Spuren des Alterns gezeichnet, eine eher lockere und bodenständige Persönlichkeit mit einer manchmal bemitleidenswert erscheinenden, eleganten Note, die ihr durch Ursula Grossenbacher verliehen wird. Sie muss in ihrer Jugendblüte einmal ein fröhliches, ausgelassenes Mädchen gewesen sein, jetzt aber ist ihr einziger wertvoller Besitz ihr Dackel Lydia. Ihre Tagträume drehen sich rund um einen feschen Tubabläser, mit dem sie ein paar ganz besondere Stunden verbringen darf. Die jüngste der Dreien, Mariedl, scheint zunächst mit ihrem Dasein als Putzfrau zufrieden zu sein, besonders wenn sie die verstopften Toiletten besonders gut betuchter Menschen mit der bloßen Hand reinigen darf, was ihr eine ganz besondere Freude bereitet. Mit einem Glänzen in den Augen verkörpert Lena Geyer die naiv-unschuldig wirkende junge Frau. Sie ist aber auch im Gegensatz zu den beiden anderen Frauen eine wirklich ehrliche Seele und sehnt sich nach einem Funken mehr gefeierter Anerkennung der Menschen für sie. Abschließend lässt sich die Interpretation von Schwabs Stoff durchaus mit sehr gutem Gewissen als „gelungen“ bezeichnen. Die drei Schauspielerinnen beeindruckten durch und durch mit einem faszinierenden Spiel und unterhielten das Publikum gut 1 1/2 Stunden lang scheinbar mühelos mit der Darbietung ihrer Rollen. Unterstützt wurden sie herbei durch ein gut funktionierendes Team, wobei Gabriela Neubauer, zuständig für die Bühne und Kostüme, Cornelius Borgolte, verantwortlich für die Musik, Lothar Krüger an der Beleuchtung und die Dramaturgin Elisa Hempel Regisseur Robert Gerloff unterstützten. Angefangen beim abgeranzten Bühnenbild, über die äußerst passenden Kostüme (etc.) war es eine rundum vollkommen und perfekt aufeinander abgestimmte Inszenierung – eben auf eine sehr schmutzige und eher nicht schöne bis hin zu einer „beschissenen“ Weise.
Abschließend ist dieser Theaterabend definitiv lohnenswert, mit dem richtigen, derben Humor und einem starken Magen, stellt man sich zwar immer noch die Frage, warum, wieso und weshalb das Stück nun eigentlich „Die Präsidentinnen“ heißt, wenn man sich vorher noch nicht näher mit Schwabs Sprache beschäftigt hatte, jedoch erklärt selbst der Autor höchstpersönlich, dass er in diesem Werk keine spezielle Problemstellung darstellen möchte, sondern einfach nur ein Theaterstück schreiben wollte. Eine Empfehlung also für alle, die zum Lachen gerne den Keller als Darbietungsort mit all’ seinen Begleiterscheinungen vorziehen!
Kim Sterzel (& Rebecca Telöken)