(Beitragsbild (c) Thilo Beu.)
Es ist ein langsamer Untergang, den die die Regisseurin Sandra Strunz mit Dramaturgin Nicola Bramkamp inszeniert: „Die Buddenbrooks“ feierte am 17. November in den Bad Godesbergern Kammerspielen Premiere. Das fast dreistündige Stück basiert auf dem Roman von Thomas Mann und arbeitet mit einer Bühnenfassung von John von Düffel.
Noch bevor sich der Vorhang öffnet, lernen wir die drei entscheidenden Buddenbrooks bei der Entdeckung ihres Familienbuches kennen: Thomas, Antonie (genannt Tony) und Christian sind die drei Kinder des Konsuls Buddenbrook. Die Familie Buddenbrook ist seit vielen Jahren in Lübeck als anerkannte und erfolgreiche Kaufmannsfamilie bekannt. Ihr Erfolg spiegelt sich in scheinbar dauerhaft stattfindenden opulenten und rauschenden Tanzbällen, sowie im wunderschön eingerichteten buddenbrookschen Saal (Bühne und Kostüme: Sabine Kohlstedt). Doch wie schnell dieses Ansehen vorbei sein kann, zeigt die fast schon prophetische Erzählung eines namenlosen Gastes der Buddenbrooks über die Familie Ratenkamp – mit Einreichung des Bankrotts ist die Familie „passé“. Ironischerweise soll den Buddenbrooks das hier noch belächelte Schicksal bald selbst bevorstehen.

Aber der Reihe nach.
Immer wieder mit einem ironischen Einschlag versehen, präsentiert die Inszenierung subtil aber dennoch eindeutig, in welchem Weltbild die drei Buddenbrook-Kinder leben: Die soziale Vernetzung ist lebenswichtig, dementsprechend ist das Außenbild der Familie unter allen Umständen zu wahren – man benimmt sich „comme il faut“. Der Erfolg steht an vorderster Stelle, das individuelle Glück sehr viel weiter hinten.
„Wir sind nicht dafür geboren, was wir mit kurzsichtigen Augen für unser eigenes kleines persönliches Glück halten, denn wir sind nicht lose, unabhängige und für sich bestehende Einzelwesen, sondern wie Glieder einer Kette, und wir wären so wie wir sind nicht denkbar ohne die Reihe derjenigen, die uns vorangegangen sind und uns die Wege weisen. Dein Weg liegt klar und scharf abgegrenzt vor dir, und du müsstest nicht ein würdiges Glied unserer Familie sein, wenn du ernstlich im Sinne hättest, mit Trotz und Flattersinn Deine eigenen, unordentlichen Pfade zu gehen.“
So erklärt der Konsul Jean Buddenbrok seiner Tochter Tony das Lebensmotto der Familie. Diesem Prinzip folgend geben alle drei Kinder nach und nach alles für die Familie und bringen jeweils ihr kleines Opfer. Da ist der Quatschkopf Christian, der es nie schafft, sich das passende Verhalten anzueignen und – von zahlreichen Neurosen geplagt – irgendwann vom Bruder Thomas unter Auszahlung des Erbes aus der Familie geworfen wird. Immer um das Ansehen der Familie bemüht ist Tony, die die Buddenbrooks mit zwei Ehen und darauffolgenden Scheidungen immer wieder zum Inhalt des ausgetauschten Klatsches macht. Als sich herausstellt, dass der aufdringliche und durchtriebene Anton Grünlich (Matthias Breitenbach) sie nur geheiratet hat, um seine Finanzen zu sanieren, verlässt sie ihn nach seinem Bankrott und kehrt nach vier Jahren mit ihrer Tochter zurück in das Elternhaus. Es folgt später eine zweite Ehe mit dem Bayer Alois Permaneder, die sie jedoch nach einer Affäre ihres Mannes ebenfalls beendet. Parallel dazu übernimmt Thomas die Firma seines Vaters und schafft es durch stetige Arbeit, die Firma weiter zu vergrößern. Doch trotz all dieser Anstrengungen bricht über die Familie eine Katastrophe nach der nächsten herein. Nach dem Tod seines Vaters versucht Thomas mit sichtlich steigender Verzweiflung, Firma und Familie auf Kurs zu halten und wirkt doch wie ein Schiffbrüchiger, der versucht, das aus mehreren Löchern einströmende Wasser aufzuhalten. Er heiratet die Millionärstochter Gerda (Lydia Stäubli) und wird Vater eines Sohnes Hanno (Daniel Gawlowski). Trotz der Freude über den neuen Stammhalter zeigt sich dieser bald als seiner künstlerischen und sensiblen Mutter sehr ähnlich und durch sein „unmännliches“ Verhalten ungeeignet, um die Geschäfte der Familie zu übernehmen.
Mit einem riskanten Getreidegeschäft von Thomas wird das schon angedeutete Schicksal der Familie besiegelt. Das Geschäft platzt ausgerechnet am hundertsten

Jahrestag der Firma und besiegelt den Untergang der Buddenbrooks. Davor setzt die Inszenierung jedoch einen Monolog von Wilke Weermann, der versucht, die Geschichte des Untergangs des bürgerlichen Lebens mit seinen Werten in die heutige Welt zu übertragen. Vorgetragen von der verarmten Verwandten Klothilde (Lena Geyer), die sich hier jedoch in eine bunte und hyperaktive Aktivistin verwandelt, fällt der Monolog komplett aus dem bisherigen Erleben heraus und wirkt etwas fehl am Platz. Nach und nach sterben die Familienmitglieder Thomas und später auch sein Sohn Hanno, die Firma wird nach Thomas Tod aufgelöst. Der Abend endet mit den so symbolischen zwei Strichen im Familienbuch und Hannes passender Aussage: „Ich dachte, es käme nichts mehr“.
Glenn Goltz (Thomas), Johanna Falckner (Tony), Alois Reinhardt (Christian), Ursula Grossenbacher (Konsulin Bethsy) und Wilhelm Eilers (Konsul Jean) zeigen brillant die innere Zerrissenheit einer Familie. Trotz der stetig aufrecht gehaltenen Fassade der angesehenen Familie, scheint die Katastrophe förmlich greifbar über den Köpfen zu schweben. Es ist der „würdevolle Respekt einer Familie vor sich selbst“, der die Inszenierung prägt und den ebendiese sehr gut zeigt. Philipp Basener, als Kellner, Liebhaber von Tony und Grünlichs Bankier, Lara Waldow als frühe Freundin von Thomas, sowie die beiden Musiker Rainer und Karsten Süßmilch geben dem Stück Hintergrund und musikalische Begleitung und tragen so zum beeindruckenden Gesamtbild bei. „Die Buddenbrooks“ ist ein Abend, der mit unglaublich gut choreographierten Tanzszenen und einer detaillierten Analyse des Untergangs einer Familie fasziniert. Der Zuschauer wird mitgenommen in die opulente Welt der Buddenbrooks und kann – immer wieder subtil angedeutet – auch den Verfall der bürgerlichen Werte beobachten, während die soziale Fassade weiter aufrechterhalten wird. Einzig der Schluss, der den endgültigen Untergang und das Weiterarbeiten der Familie beschreibt, wirkt etwas in die Länge gezogen. Dies macht jedoch nicht den insgesamt empfehlenswerten Eindruck des Stückes kaputt. Vor allem das Ensemble zeigt alle seine Qualitäten und macht die Inszenierung zu etwas Besonderem.
Tabea Herrmann