BUSC zeigt in der Brotfabrik MACBETH
Dass die BonnUniversity Shakespeare Company (BUSC) nicht nur, aber natürlich besonders gerne die Stücke Ihres Namensgebers aufführt, sollte nicht überraschen, Auswahl gibt es mit 38 Theaterstücken reichlich. Dennoch sei es mit MACBETH etwas Besonderes, betont die Company in ihrem aufwendig gestalteten Programmheft. Ungefähr alle 10 Jahre komme jenes legendäre Stück auf den Spielplan. Zu mehr Aufführungen hat es in der immerhin mittlerweile 33 jährigen Geschichte der Bonner Company nur der Sommernachtstraum gebracht.
Die Handlung von Macbeth hier vollständig wiederzugeben, würde zu viel Raum einnehmen. In aller Kürze geht es darum, dass der schottische König Duncan von einem seiner Kriegsherren, Macbeth, ermordet wird, nachdem dieser von drei Hexen, auch Unheilsschwestern genannt, die Prophezeiung erhalten hat, dass er König werde. Als Duncan aber seinen Sohn Malcolm zum Thronnachfolger bestimmt, sieht sich Macbeth gezwungen, die Prophezeiung selbst wahr werden zu lassen und beginnt, mit der Unterstützung von Lady Macbeth, ein blutiges Spiel um die Krone, bei dem einige, auch Unschuldige, ihr Leben lassen müssen, bis sich das Blatt gegen Macbeth wendet.
Regisseur Lukas Schletter und sein Team haben sich für ein sparsames Bühnenbild entschieden – statt eines Schlossinterieurs oder eines Schlachtfeldes streckt sich den Zuschauern ein Laufsteg entgegen. Gerüste, Malerleiter und Podeste vermitteln den Charme einer verlassenen Fabrik. Die Kostüme und die Maske der Spieler sind umso farbenfroher und ausgefallener, zugleich verweisen deren Farben auf die Parteizugehörigkeiten. So trägt König Duncan ein blaues Spitzenhemd und seine Anhänger blaue Bänder. Zudem sind alle Spieler mit mehr oder minder grellen Mustern im Gesicht bemalt, alles zusammen – Laufsteg, Kostüme und Schminke – erinnert an die angemalten Modelle einer Modenshow. Und so laufen und präsentieren sich die Figuren auf besagten Laufsteg oder sie sterben den Shakespeare-Tod wie im Fall Duncans. Hier wird das „Drama“ exponiert präsentiert, eine in dieser schillernden Welt voller Lug und Blutvergießen eine gute Idee, wenn sie in der zweiten Hälfte auch etwas an Bedeutung verliert.
Wo Glamour ist, sind Party und Tanz nicht weit. Für Tanzeinlagen sorgen die insgesamt acht Hexen, von denen drei die Weird Sisters sind (Lisa Pohlers, Elen Carbonari und Jil Göndöven). Die Choreographien beschwören nicht nur die höheren Mächte für Macbeth , sondern die Hexen scheinen sich mit ihren Tanz auch in das Herz von Lady Macbeth zu stehlen, als diese die Geister anruft, ihren Frauenkörper abzuhärten, um die Königskrone zu erringen. Bei den Banketten tanzt dann auch der Hofstaat schaurigen Reigen.
Bei allen Shakespeare-Stücken stehen die Hauptdarsteller unter besonderem Druck. Niemand kann sich den Bildern, die durch zahlreiche Verfilmungen, Inszenierungen, Adaptionen und Interpretationen bereits in den Köpfen geistern, entziehen. Andererseits macht genau dies Shakespeare so zeitlos: Jedes Mal ist ein neuer Blick auf das Stück möglich, lassen sich neue Aspekte, neue Gedanken herausarbeiten – seit mittlerweile über 400 Jahren.
Konstantin Rasanis hatte im letzten Jahr mit großer Leidenschaft den Hamlet gemimt – eine Rolle, die ihm wie auf den Leib geschrieben war: Ein junger, in seinen düsteren Gedanken über die Schlechtigkeit der Welt grübelnder Prinz, der Rache für seinen ermordeten Vater fordert und diese im vorgetäuschten Wahn durchführen will. Was ihn leitet, ist Gerechtigkeit – Statisfaction, auch wenn am Ende diesem Vergeltungsschlag für die Gerechtigkeit mehr Menschen zum Opfer fallen, als er ursprünglich beabsichtigte. Bei ihm ist der Wahn Mittel zum Zweck (wenn man daran auch zweifeln kann). Macbeths Wahn, der durch die Reue am Königs- und Freundes-Mord befeuert wird, hingegen ist echt und frisst ihn auf. Er ist ein gestandener Krieger, der für seinen König viele Schlachten geschlagen hat. Er ist nicht mehr ganz jung, aber immer noch kinderlos und erst als er die Prophezeiung der Unheilsschwestern hört, erwacht in ihm der Wunsch nach Macht, die mit seinem eigentlich rechtschaffenem Wesen in einen argen Konflikt gerät. So erfährt Macbeth im Laufe des Stücks Situationen, in denen er Stärke, aber auch solche in denen er Schwäche zeigt.
Regisseur Lukas Schletter sieht Macbeth und seine Lady als zwei Seiten einer Medaille, sie teilen sich, wie er im Programmheft schreibt, Verstand und Körper. Dennoch lässt sich beobachten, wie sich die beiden Hauptdarsteller in der Art ihrer Darstellung im Verlauf des Abends zu sehr in ihren Rollen festfahren, anstatt sich gegenseitig zu ergänzen und zu befruchten oder an zu schubsen. Bei Konstantin Rasanis scheint sich der Hamlet im Gedächtnis festgesetzt zu haben: Die Stimmung vieler Monologe und Gespräche erinnert mehr an den zerbrochenen Prinzen als an den unrechtmäßigen Schottenkönig. Auch Lisa Balzer als Lady Macbeth spielt die burschikose Königin an manchen Stellen zu monoton energisch. Es fehlen hier die leisen, verschwörerischen Zwischentöne, die ihr zerrissenes Wesen erkennen ließen. So ist die Idee des in ihrem Plan verschmolzenen und zugleich getrennten Königspaares zwar gut, aber die vielfältigen emotionalen Facetten dieser Personen hätten feinfühliger herausarbeitet werden können.
Die Charakterentwicklung ist hingegen bei der Figur des Königssohnes Malcolms alias Mitra Heydari gut zu erkennen. Vom schüchternen Vatersöhnchen entwickelt er sich zum den Rachefeldzug ausrufenden Anführer einer Allianz von Adligen , die von Macbeth verstoßen wurden oder sich von ihm abgewandt haben und nun gegen ihn aufbegehren.
Zu der Gruppe der von Macbeth verratenen gehören auch Banquo (Thomas Pähler), sein Gefährte auf dem Schlachtfeld, den er aber ermorden lässt, da ihm die Weird Sisters prophezeien, dass er Könige gebären wird, sein Sohn Fleance (Izzy Langner) und McDuff (Brunno Hofmann), dessen Familie von Macbeth gemordet wird. Besonders Thomas Pähler verkörpert den sympathischen Banquo überzeugend und macht als Gespenst auf Macbeths Bankett eine gute Figur. Brunno Hofmann als rasender Witwer und Vollstrecker spielt energisch, mitunter leidet der Text darunter. Izzy Langner ist ein zurückhaltender trauernder Sohn, vielleicht manchmal etwas zu weich gezeichnet, aber sollte sich die Prophezeiung der Hexen je erfüllen, wäre er der nächste König.
Eine besonders gelungene Charakterinterpretation ist Bruno Kaut als Duncan gelungen, den er als fast naiven Partylöwe darstellt. Wenn er tanzend und Haare schwingend über die Bühne zieht, macht es sehr viel Vergnügen, zuzusehen. Mit einer guten Portion Selbstironie zieht er das Publikum schnell auf seine Seite. Schade, dass er so früh sterben muss, vielleicht hätte Shakespeare sich das bei dem Auftritt noch einmal überlegt.
Ebenfalls für Unterhaltung sorgen die Nebenrollen des Captain (Lina Zubedi), Ross (Hanna Schaefer), Lennox (Chris Weber) und McDuff sowie die beiden Mörder (Alexander Korsten und Rebecca Dasenbrock), die durch ihre Dialoge, ihr Intrigenspinnen und ihre moralische Ansprachen zwar eher im Hintergrund agieren, aber den Handlungsverlauf immer wieder zugleich vorantreiben.
Besonders beeindruckend war die Schlussszene der Inszenierung. Sie endet nicht mit dem Tod Macbeths, sondern mit einer Art Performance aller Darsteller, die in einfachen, teils tänzerischen Gesten und Bewegungen das gesamte Drama zu rekapitulieren scheint: Hände suchen, aber erreichen sich nicht, wem kann man trauen? Man meint darin alle Zweifel, das traurige Schicksal der Welt, dass sich doch immer zu wiederholen scheint, wiederzuerkennen (Choreographie: Hanna Erner und Anne Nickel).
Insgesamt haben über 50 Personen an der Produktion mitgewirkt. Trotz der kleinen Mängel (allerdings sprechen wir immer noch von Laiendarstellern und hängen die Messlatte schon sehr hoch) hat man allen Spielern, den Kostümen, dem Bühnenbild und vielem mehr Liebe, Einsatz und Freude, die sie in die Inszenierung gesteckt haben, angemerkt. Allein dafür haben sie auch bei fast ausverkauften Haus am zweiten Spieltag all den Applaus verdient, den sie auch bekommen haben.
Rebecca Telöken




