Chapter One, we didn’t really get along


In Siegburg erobert eine Komödie
nach dem Roman von Jane Austen die Bühne

Es war ein besonderer Abend, denn Theatral war zum ersten Mal zu Gast in der Studiobühne Siegburg. Dieses kleine, aber feine Theater residiert dort im ehemaligen Kaufhofgebäude in der sechsten Etage. Nur eine Interimslösung, denn die Stadt Siegburg will der Studiobühne bis 2028 ein neues Gebäude bauen – ein bisschen skeptisch darf man in Hinsicht auf das Datum da sicher sein, denn wie verlässlich Stadtplanungen in Bezug auf Theater sind, weiß man im Rheinland nur zu genau.

Die Vorstellung ist ausverkauft, ein überwiegend junges Publikum tummelt sich im Foyer. Doch was wird an diesem Abend überhaupt gespielt? STOLZ UND VORURTEIL* (*ODER SO). „Wilde Liebe und blanker Wahnsinn“ heißt es im Untertitel. Jane Austen, Englands bekannteste klassische Schriftstellerin, feiert in diesem Jahr ihren 250ten Geburtstag und die ganze Welt ist im Austen-Fieber. Alle Tageszeitungen, sogar die taz, widmeten der Grande Dame mehrere lange Artikel; viele Verlage buhlen mit neuen und aufwendig gestalteten Jane Austen Ausgaben um Leser, im Kino gibt es Neuverfilmungen. So verwundert es nicht, dass Austens bekanntester Roman seinen Weg auch auf die hiesige Bühne findet. Allerdings in einer Version, die sich durch einen Wechsel der Perspektive von der Vorlage unterscheidet. Regisseurin Cynthia Oblas arbeitet mit dem Text von Isobel McArthur, der der Handlung des beliebten Romans zwar folgt, aber sie in einigen Punkten modern aufpeppt. McArthurs Text wird derzeit an mehreren deutschen Theatern gespielt und eine Produktion im Londonder West End soll es, laut des Rowohlt Verlag, bei dem die deutsche Fassung des Stückes erschienen ist, wohl auch geben.

Es geht natürlich um die holprige und von Missverständnissen durchzogene Liebesgeschichte zwischen der sturen und stolzen Miss Elizabeth Bennet, einer von fünf unverheirateten Töchtern der Bennets und dem schwierigen und griesgrämigen, aber sehr reichen, Mr Fitzwilliam Darcy. Erzählt wird aber aus der Sicht der stets in allen Geschichten anwesenden, oft aber nur in wenigen Nebensätzen erwähnten stummen Beobachter und allwissenden Geister der Austen-Welt: den Hausmägden. Fünf an der Zahl, alle ein bisschen eigen, aber ebenso Feuer und Flamme für ihre Herrschaften. Sie haben ihre Augen und Ohren überall und helfen auch gerne mal nach, wenn es zwischen den Protagonisten nicht so läuft, wie es sollte.

Die fünf Schauspielerinnen der Aufführung übernehmen dazu noch bis zu drei weitere Rollen. Alle sind noch Schauspielschülerinnen, jedoch bereits ein perfekt eingespieltes Team, das die spitzfindigen Dialoge auf den Punkt bringt.

Paulina Leonie Krause spielt die Hauptrolle der Elizabeth Bennent. Sie spielt die intelligente, aber wenig charmante, da scharfzüngige Elizabeth souverän. Im Gegensatz zu ihrer restlichen Familie ist sie zwar fast etwas zu ernst, aber sie hat auch trockene Kommentare und bissige Bemerkungen zur Hand, die sie sich nur selten verkneift. Krause bringt eine angenehme Natürlichkeit auf die Bühne, so dass ihre Darstellung der Elizabeth überzeugt, ohne sich an die großen Vorbilder zu sehr anzulehnen oder nachzuahmen.

Mrs Bennet hat es nicht leicht, dabei will sie auch nur das beste. Foto: (c) Studiobühne Siegburg

Lisa Bonack, Cora Wirthwein, Laura Sade Öztürk, Zoe Johanna Coupette teilen sich die insgesamt 18 Rollen auf. Lisa Bonack als Mrs Bennet spielt Elizabeths Mutter, die, um ihre Töchter gut verheiratet zu wissen, quasi über Leichen gehen würde. Herrlich überdreht, weiß sie, was sie will und wie sie es bekommt, so dass sie auf die Einwände ihrer Töchter mitunter auch recht barsch, aber dadurch auch urkomisch, mit Sätzen antwortet wie: „Ich betreibe hier keine Meinungsforschung, das wird so gemacht!“ In ihrer Rolle als Mr Darcy erscheint sie dagegen fast etwas dröge, da er wenig spricht, sich wenig bewegt und emotional eher zu der zurückhaltenden Sorte gehört. Hier hätte es vielleicht noch ein bisschen Ausarbeitung des Charakters bedurft.

In einer Komödie sind die Figuren meist überzeichnet. Die extrovertierte Mrs Bennet hatten wir bereits erwähnt, aber sie ist nicht der einzige bunte Vogel in diesem Stück. Da ist auch noch der Geistliche Mr Collins, der Cousin der Schwestern, gemimt von Zoe Johanna Coupette, der in Puncto Spaß heraussticht. Coupette spricht Mr. Collin wie das Let’s Dance Jury-Mitglied Jorge Gonzáles, was allein schon komisch wirkt. Hinzu kommen unzählige Fettnäpfchen, in die dieser gezielt reinläuft. Sämtliche Sympathien verspielt er sich schließlich, als er, nachdem er Elizabeth erfolglos einen Heiratsantrag gemacht hat, den diese natürlich rundweg ablehnt, ihrer besten Freundin Charlotte Lucas (Cora Wirthwein) kurz darauf ebenfalls einen Heiratsantrag macht, den diese auch noch annimmt.

Mary ist nicht zu stoppen. Nicht mal von der Frau Mama. Foto: (c) Studiobühne Siegburg

Mit weniger Bühnenzeit, dafür ein Running Gag ist Elizabeths jüngste Schwester Mary (ebenfalls Coupette), der von ihrer Mutter auf den Bällen vor allem das Singen verboten wird, kein leichtes Unterfangen, gerade wenn Mary schon den ersten Alkohol intus hat. Die Verfolgungsjagden hinter der bühnenhungrigen Mary reizen immer wieder die Lachmuskeln.

Anrührend ist hingegen die zweite Liebesgeschichte, der eigentliche Anlass für Elizabeths eigene Romanze: ihre Schwester Jane (Laura Sade Öztürk) verliebt sich nämlich auf einem Ball in den gut aussehenden Mr Bingley (Cora Wirthwein), wird aber von dessen Schwester abgelehnt und gerät in deren Intrigen. Wirthwein spielt auch die Schwester von Bingley – schön biestig, sie blicht gern auf andere herab, macht sich aber in Mr Darcys Anwesenheit häufig lächerlich.

Öztürks Rolle der Jane ist sicher diejenige, bei der man als Publikum am meisten mitfühlt, da die eher zurückhaltende und gutherzige Schwester viel Schmach erleiden muss und beinahe am Liebeskummer eingeht. Wenn sie ihre Liebeslieder allein oder im Duett singt, liegt tatsächlich ein Hauch Romantik in der Luft.

Übrigens: Die in der Verfilmung mit Keira Knightley so beliebte Figur des Mr. Bennet kommt in diesem Stück eigentlich gar nicht vor. Er ist meist anwesend in Form eines leeren Schaukelstuhls, hat gegenüber seiner die Bühne beherrschenden Frau wenig Mitspracherechte und hält sich überhaupt geschickt im Hintergrund.

Weihnachtsstimmung kommt hier leider nicht auf: Jane und Elizabeth werden von ihrer Tante getröstet. Foto: (c) Studiobühne Siegburg

Den Abend durchziehen viele gesangliche Einlagen, was diesem ein bisschen den Anstrich einer Revue verleiht, wobei die Handlung allerdings immer noch im Vordergrund steht. So wird der Abend sehr passend mit Elvis Castellos „I write the Book“ eingeleitet, in dessen ersten zwei Versen schon der Inhalt des Romans quasi vorweggenommen wird: Chapter One, we didn’t really get along / Chapter Two; I think I fell in love with you
Beim Publikum kommt das gut an und es gibt mehr als einmal Zwischenapplaus.

Obwohl in dieser Bühnenfassung alles ein bisschen schrill ist und bisweilen scharf am Kitsch vorbeischrammt, wird zwischen allem Spaß, bei allen sarkastischen Untertönen, doch auch darauf hingewiesen, dass dieser ganze Wahnsinn um die Verheiratung der Töchter nur deswegen stattfand, weil Frauen kein Recht hatten zu erben. Ohne männlichen Stammhalter war die Familie akut von Armut und Besitzverlust bedroht, wenn man die Töchter nicht so verheiratete, dass der zukünftige Schwiegersohn auch in der Lage war, die Familie seiner Frau notfalls zu unterstützen.

Zusätzlich zu den vielen Rollenwechseln wird auch das Bühnenbild häufig verändert, zwar oft nur minimal, allerdings fiel irgendwann im Publikum auf, wie häufig ein Sofa hin und her getragen wurde. Sicherlich eines der meist transportierten Sitzmöbel in der Theaterwelt. Überhaupt ist das Tempo in dem steten Wechsel von Rollen, Spielorten und Kostümen ein kleiner Marathon, da kann eine widerspenstige Halskrause schon zu ungewollt komischen Szenen führen, die aber wohlwollend hingenommen wurden.

Der dreistündige Abend fühlte sich nicht so an. Regisseurin Cynthia Oblas hat mit dem Ensemble und ihrer Regieassistentin Miriam Bürger einen beschwingten Abend gestaltet. Die Jungschauspielerinnern wussten das Publikum gekonnt in ihren Bann zu ziehen, sangen sich alle Gefühle von der Seele, traten mit den Zuschauern in Interaktion und verteilten sogar bei Bedarf Wein. Was wünscht man sich mehr?
Das Publikum an diesem Abend jedenfalls nichts. Stehender langer Applaus und zufriedene Gesichter zeugen von einem gelungen Theaterabend. Der Nachwuchs konnte überzeugen.

Rebecca Telöken

Weitere Vorstellungen: 20.02.26 / 21.02.26 / 24.04.26 / 02.05.26, mehr Termine auf der Website des Theaters.

Die Dienstmägde haben Spaß, auch wenn es mit den Herrschaften nicht immer einfach ist. Foto: (c) Studiobühne Siegburg