Ein kleiner Rückblick auf die Bonner Theaternacht
Am 17. Mai 2023 fand zum 17. Mal die BONNER THEATERNACHT statt. In 130 Einzelveranstaltungen boten 60 Theater und freie Ensembles Einblick in ihr aktuelles Programm. In diesem Jahr gab es für Interessierte wieder vielfältige Angebote: Schauspiel, Tanz, Musik, Varieté, Performance Art… Es zeigte sich, wie interessant die Bonner Theaterlandschaft ist.
Aufgrund der vielen Angebote, der Entfernung der einzelnen Spielorte und des engen Zeittaktes, musste ich gezielt Aufführungen auswählen. Ich entschied mich zunächst entspannt mit der Komödie EXTRAWURST im Contra-Kreis-Theater zu beginnen. Das Contra-Kreis-Theater ist das älteste Bonner Privattheater und wurde am 20. Mai 1950 mit „Shakespear’s Hamlet“ eröffnet.
Zum Stück:
„Eigentlich ist es nur reine Formsache: Die Mitgliederversammlung eines Tennisclubs soll über die Anschaffung eines neuen Grills für die Vereinsfeiern abstimmen. Normalerweise kein Problem – gäbe es nicht den Vorschlag, auch einen eigenen Grill für das einzige türkische Mitglied des Clubs zu finanzieren. Eine gut gemeinte Idee, die immense Diskussionen auslöst und den eigentlich friedlichen Verein vor eine Zerreißprobe stellt. Immer tiefer schraubt sich der Konflikt um den Grill in die Beziehungen der Mitglieder. Ebenso respektlos wie komisch stoßen Atheisten und Gläubige, Deutsche und Türken, „Gutmenschen“ und Hardliner frontal aufeinander. Und allen wird klar: Es geht um mehr als einen Grill.“
bonnticket
Die Komödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob sorgte für viele Lacher und machte Lust auf mehr. Das Stück wird täglich bis Ende Juni 2023 aufgeführt. Ausnahme sind der 26. und 27.6. 2023.
Nach der Komödie wurde es dann ernster. Das ensemble déjà-vu der freien Theaterszene brachte sehr eindrucksvoll das Stück DER TOD UND DAS MÄDCHEN von Ariel Dorfman auf die Bühne.

Zum Stück:
„Paulina glaubt, in Dr. Miranda ihren früheren Folterer und Vergewaltiger wiederzuerkennen. Als er durch Zufall in ihre Gewalt gerät, will sie sich an ihm, der immer wieder seine Unschuld beteuert, rächen und ihn dazu bringen, seine Taten zu bereuen. Ihr Mann Gerardo, Anwalt und Mitglied der Kommission der Aufklärung der Verbrechen während der chilenischen Militärdiktatur, stellt sich ihr entgegen. Er ist überzeugt, dass allein eine rechtsstaatliche Aufarbeitung der Gräueltaten die zerrissene Gesellschaft versöhnen kann: „Vergeben ja, vergessen nein!“
Die zentrale Frage des Autors, der sein Theaterstück kurz nach Ende der Militärdiktatur verfasste, lautet:„Wie können diejenigen, die gefoltert wurden, und diejenigen, die gefoltert haben, in demselben Land miteinander leben?“
ensemle déjà-vu – Flyer
Wie sich der Konflikt zwischen den Protagonisten entwickelt, wurde in dem 30minütigen Ausschnitt nicht verraten. Die leider immer noch aktuelle Problematik führte jedoch bereits kurz nach der Aufführung zu intensiven Diskussionen mit Freunden und Familie. Ein Stück, dass ich so schnell nicht vergessen werde.
Die eindringliche Darstellung ohne ablenkende Bühneneffekte, die Nähe zum Publikum und ein anschließendes Gespräch mit dem Regisseur machten für mich das ensemble déjà-vu zur Entdeckung des Abends.
Die voraussichtlich letzte Aufführung in Bonn findet am 30. Juni 2023 in der Zentrifuge Bonn (Godesberger Allee 70, Bonn-Bad Godesberg) um 20:00 Uhr statt.
Wer noch Lust hatte, konnte den Abend ab 23.30 Uhr bis in den frühen Morgen mit einer Party im Opernhaus abschließen.
Ich freue mich auf die nächste Bonner Theaternacht mit hoffentlich vielen neuen Eindrücken!
Yasmin Ibrahim
